DWS erwartet 2022 kräftiges Wachstum und rückläufigen Inflationsdruck
„Die Corona-Krise hält für uns einige Lektionen bereit, die im kommenden Jahr und darüber hinaus eine große Rolle spielen werden“, sagte Stefan Kreuzkamp, Chefanlagestratege der DWS, auf dem DWS-Marktausblick 2022 am 23. November 2021. Beispiel Wirtschaftszyklus: Anders als bei anderen Konjunktureinbrüchen habe die Covid-19-Pandemie nur zu einem sehr kurzzeitigen Einbruch der Wirtschaftsaktivitäten geführt.
Das derzeit am kontroversesten diskutierte Thema sei wohl die weitere Entwicklung der Inflation, konzedierte Kreuzkamp. Normalerweise werde Inflation durch eine erhöhte Nachfrage ausgelöst. Doch dieses Mal sei die Situation eine andere. Die Einschränkungen auf der Angebotsseite durch Unterbrechung der Lieferketten habe die Angebotskurve nach links verschoben. Dazu komme eine aufgestaute Nachfrage. Diese beiden Faktoren seien maßgeblich verantwortlich für die zuletzt überraschend stark gestiegenen Inflationszahlen. Mit Blick auf das kommende Jahr gibt sich Kreuzkamp dennoch verhalten optimistisch: „Die Lieferkettenprobleme dürften 2022 allmählich zurückgehen und damit auch die Inflation, die allerdings deutlich über dem Niveau vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie bleiben dürfte.“ Konkret erwartet Kreuzkamp für die USA eine Inflationsrate in Höhe von 2,8 Prozent, für die Eurozone 2,6 und für China 2,2 Prozent.
Gute Wachstumsaussichten für 2022
Die Wachstumsaussichten für das kommende Jahr beurteilt Kreuzkamp gut, auch wenn die Dynamik nachlassen dürfte. „Wir erwarten, dass die Wirtschaft im kommenden Jahr in der Eurozone mit 4,6 Prozent wachsen wird, also etwas stärker als in den USA (4,0 Prozent).“ Für China erwartet Kreuzkamp ein reformbedingt gebremstes Wachstum von 5,3 Prozent.
In der Eurozone keine Zinserhöhungen in Sicht
Auch für die Notenbanken sei die Situation herausfordernd und der Weg aus der extrem lockeren Geldpolitik lang. In den USA dürfte die Rückführung der Anleihekäufe bis Mitte des Jahres 2022 abgeschlossen sein, erwartet der DWS-Chefanlagestratege. Die erste Zinserhöhung könnte im vierten Quartal anstehen. In Europa dagegen sei noch keine Zinserhöhung in Sicht, weder im kommenden Jahr noch 2023.
In punkto Reduktion der CO2-Emissionen auf Netto-Null habe sich seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie viel getan. Inzwischen sei auch bei den Zentralbanken das Thema in den Fokus gerückt. CO2-Neutralität mit höchster Priorität anzugehen sei alternativlos und werde zu riesigen Investitionen führen. Die höhere Bepreisung von CO2 werde allerdings auch zu längerfristig höheren Inflationsraten beitragen.
Die Regulierungswelle in China und die damit einhergehende Unruhe an den Märkten sieht Kreuzkamp weniger als Bedrohung, sondern eher als Reform mit einem durchaus plausiblen Hintergrund. Es gehe letztlich darum, den Wohlstand auf mehr Schultern zu verteilen, um beispielsweise so elementare Dinge wie Wohnen, Erziehung und Gesundheitsversorgung erschwinglicher zu machen.
Langfristig positiver Ausblick auf China, Indien stark im Kommen
Für die asiatischen Aktienmärkte sieht Sean Taylor, Chefanlagestratege Asien-Pazifik, im kommenden Jahr einen Richtungswechsel. „Nach dem sehr schwierigen Jahr 2021, in dem die asiatischen Aktienmärkte mit den US- und europäischen Märkten nicht annähernd mithalten konnten, sieht es für 2022 deutlich besser aus“, sagte Taylor. Das schlechte Abschneiden im laufenden Jahr habe vier Gründe: das Anziehen der Geldpolitik in China, die neuen staatlichen Regulierungen, eine Null-Toleranz-Politik bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie und die deutlich geringere fiskalische Unterstützung. 2022 dürften die Restriktionen im Zusammenhang mit Covid-19 langsam zurückgefahren werden und die Wirtschaft Rückenwind erhalten, erwartet Taylor.
„Indien betrachten wir als klaren Gewinner der Wiedereröffnung Asiens und einen der interessantesten Aktienmärkte Asiens“, sagte Taylor. Insbesondere die Steuer- und Arbeitsmarktreformen dürften das Wachstum befördern. Das Land habe ein riesiges Potenzial, gerade im Technologiebereich: „Im laufenden Jahr ist die indische Start-up-Szene deutlich gewachsen und hat mit 32 Milliarden Dollar 66 Prozent mehr Kapital mobilisiert als im Jahr 2020.“
Auch für Japan ist Taylor positiv gestimmt. Die japanische Wirtschaft und vor allem der private Konsum sei lange Zeit aufgrund der Corona-Einschränkungen auf Sparflamme gelaufen. Das könnte sich 2022 ändern. Bei chinesischen Aktien müsse man wahrscheinlich noch etwas Geduld aufbringen. Die Lockdown-Maßnahmen könnten sich noch bis zum Ende des ersten Quartals 2022 ziehen. Die Unternehmensgewinne könnten weiter nach unten revidiert werden. Mittelfristig seien die Aussichten deutlich besser. China lege künftig mehr Wert auf die Qualität des Wachstums als auf die Quantität.
Aktien – Wachstumstreiber Dekarbonisierung
„Aktien werden auch im kommenden Jahr zu den renditeträchtigsten Anlagen gehören, allerdings ist das Kurspotenzial deutlich niedriger als im laufenden Jahr“, so Marcus Poppe, Fondsmanager für globale Aktien. Die DWS erwarte Kurssteigerungen im mittleren einstelligen Bereich. „Die Bewertungen dürften ihren Höhepunkt erreicht haben. Die Kursentwicklung dürfte im kommenden Jahr von der Entwicklung der Unternehmensgewinne abhängen“, so Poppe. Die häufig thematisierte Frage, wie sich europäische Aktien im Vergleich zu US-Aktien entwickeln werden, laufe letztlich darauf hinaus, ob Value- oder Growth-Aktien bessere Aussichten haben. Europa hat einen deutlich höheren Anteil an Value-Aktien, die USA seien im Technologiebereich deutlich besser aufgestellt. „Ich sehe nicht, dass sich an der Vorliebe der Investoren für Wachstumswerte grundsätzlich etwas ändern wird“, sagte Poppe. Europäische Aktien seien zwar niedriger bewertet als US-Titel. Das bedeute aber nicht, dass sie ein höheres Kurspotenzial hätten. Solange die realen Renditen im negativen Bereich blieben, dürften sich Wachstumswerte weiterhin überdurchschnittlich entwickeln. Bei einem stärkeren Zinsanstieg dagegen könnten die nicht so zinssensitiven Value-Werte profitieren, wie Industrie- oder Autowerte.
Einen Trend mit großem Potenzial, der weit über das kommende Jahr hinausgehe, sieht Poppe in der Dekarbonisierung. Saubere Technologien seien für Industrieunternehmen genauso wichtig wie für Infrastrukturunternehmen und Technologiewerte.
Immobilien – Fokus auf bezahlbaren, nachhaltigen Wohnraum und Next Gen Prime Office
„Immobilien sind eine gute Möglichkeit, sich gegen steigende Inflation abzusichern“, sagte Jessica Hardman, Head of European Real Estate Portfolio Management. Viele der langfristig laufenden Mietverträge seien an die Inflationsentwicklung gekoppelt. „Die Anlageklasse Immobilien bleibt attraktiv in einem Umfeld von realen Renditen nahe oder unter der Nulllinie“, so Hardman. Zwei besonders aussichtsreiche Entwicklungen: im Wohnimmobilienmarkt der Trend zu bezahlbarem, nachhaltigem Wohnraum und im Büroimmobilienmarkt der Trend zu modernen, umweltfreundlichen Büros, die auf die Bedürfnisse der Next Gen eingehen (Next Gen Prime Office). Bei Büroimmobilien sei ein deutlicher Paradigmenwechsel zu beobachten. Einerseits sei die Nachfrage wegen der gestiegenen Tendenz zum Home Office zurückgegangen. Dafür seien aber die Ansprüche an die Qualität der Immobilien deutlich gestiegen. Unter Renditeaspekten seien beide Bereiche äußerst attraktiv. Im Bereich des nachhaltigen, bezahlbaren Wohnraums seien Gesamtrenditen von 5 bis 6 Prozent pro Jahr möglich und damit 0,5 bis 1,5 Prozentpunkte mehr als mit Wohnimmobilien im Durchschnitt erreichbar seien. Für Büroimmobilien im Segment Next Gen Prime Office seien die Aussichten sogar noch etwas besser: Hier liegen die Renditeerwartungen bei 7 bis 9 Prozent pro Jahr und damit um 3,5 bis 5,5 Prozentpunkte über den durchschnittlich erzielbaren Renditen im gesamten Segment.
Multi Asset – im inflationären Umfeld liefern alternative Anlagen die besten Risiko-Ertragsprofile
„Zinsanlagen verlieren zusehends ihre Rolle als Diversifikationsinstrument für Aktienanlagen“, sagte Björn Jesch, Global Head Multi Asset und Solutions. Ihre Pufferfunktion bei Rücksetzern am Aktienmarkt sei deutlich geschrumpft. „Wir müssen nach anderen Anlageklassen suchen, um das Risiko in einem Portfolio zu kontrollieren und für Überraschungen gewappnet sein.“ Je nachdem, wie sich Wachstum und Inflation entwickelten, spielten unterschiedliche Anlageklassen ihre Stärken aus. Generell gelte: In Zeiten steigender Inflation sind Value-Aktien sowie börsennotierte Infrastrukturunternehmen oder Rohstoffe vorteilhaft, da sie eine hohe Korrelation zur Inflation aufwiesen. Bei anziehendem Wachstum und abnehmender Inflation hingegen profitierten eher Wachstumsaktien und börsennotierte Immobilienaktien. Um sich gegen eine überraschend hohe Inflation zu wappnen, seien liquide alternative Anlagen wie börsennotierte Infrastrukturunternehmen oder Rohstoffe besonders gut geeignet. Fazit des Multi-Asset-Experten: „Der Instrumentenkasten muss deutlich ausgebaut werden, um auf die Herausforderungen, die die Märkte für Anleger bereithalten könnten, gut zu meistern.“
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