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- Positionspapier: Veränderungen im deutschen Rentensystem
- Entwicklung des deutschen Rentensystems
- Das Generationenkapital als eine Antwort auf Herausforderungen des demografischen Wandels im deutschen Rentensystem
- Weitere Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge (bAV)
- Notwendigkeit der Umsetzung der Vorschläge aus der Fokusgruppe private Altersvorsorge
Zusammenfassung:
Status Quo: Das deutsche Rentensystem steht vor großen Herausforderungen. Ohne notwendige Veränderungen wird es nicht leistungsfähig bleiben und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Fähigkeit demokratischer Institutionen, langfristig zu handeln, wird Schaden nehmen. Das Drei-Säulen-Modell hat sich historisch als robust erwiesen. Nun braucht jede einzelne Säule eine Überholung. Angesichts des demografischen Wandels und der Tatsache, dass der Bund schon heute fast 25% des Bundeshauhalts[[Disclaimer: Bundesamt soziale Sicherung (Juli 2023). Bundeszuschüsse.xlsx (bundesamtsozialesicherung.de).]] zur gesetzlichen Rente zuschießen muss, ist es unerlässlich, Anpassungen vorzunehmen. Das Rentenpaket II der Bundesregierung, sieht Reformen des deutschen Rentensystems insbesondere in der ersten Säule vor, die darauf abzielen, die Rente zu stabilisieren und das Rentenniveau bis 2039 bei 48% zu sichern.
Generationenkapital: Wir begrüßen ausdrücklich das Konzept des Generationenkapitals als Teil des Rentenpakets II. Die Schaffung eines staatlichen Fonds als integraler Teil der gesetzlichen Rentensäule ist eine sinnvolle Ergänzung zur reinen Umlagefinanzierung. Das Generationenkapital hat das Potential, die Wertpapier-Kultur in Deutschland nachhaltig zu stärken und damit auch das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an der privaten Altersvorsorge zu steigern. Die damit einhergehende Aufwendung von öffentlichem Kapital in Milliardenhöhe sollte als Chance angesehen werden, verstärkt Wachstums- und Transformationsinvestitionen tätigen zu können. Bei der Verwaltung der Renten sowie der Weiterentwicklung und Verbesserung unseres Rentensystems sollten verstärkt deutsche Institutionen einbezogen werden, welche durch ihre Vertrautheit mit dem deutschen Rentensystem sowie ihrem umfassenden Knowhow bezüglich Investments im deutschen und europäischen Markt über einen essenziellen Heimatvorteil verfügen.
Betriebliche Altersvorsorge (bAV): Wir sehen die Notwendigkeit, die bAV weiter zu stärken und für deren weitere Verbreitung zu sorgen. Im Jahr 2019 lag die Verbreitungsquote der bAV bei ca. 54%.[[Disclaimer: aba | 2021-04-15 A. b) Alterssicherungsbericht 2020: Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit bAV in der Privatwirtschaft. (Stand November 2020). aba | 2021-04-15 A. b) Alterssicherungsbericht 2020: Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit bAV in der Privatwirtschaft (aba-online.de)]] Dazu ist es zum einen notwendig, neben anderen Maßnahmen im Arbeits-, Steuer- und Sozialrecht, das Sozialpartnermodell durch Öffnungsklauseln über die tarifgebundenen Unternehmen hinaus einem breiteren Kreis von Unternehmen zugänglich zu machen. Aber auch bisherige Zusage Arten bieten Potenzial für die bAV, wie z.B. die Klarstellung einer etwaigen Mindestleistung bei der betragsorientierten Leistungszusage.
Private Altersvorsorge: Die Fokusgruppe private Altersvorsorge empfiehlt nicht nur, zusätzliche Anreize für das Altersvorsorgesparen mit Fondsdepots zu schaffen, sondern auch die lange überfällige Reform der Riester-Rente in Angriff zu nehmen. Wir unterstützen beide Maßnahmen, wichtig ist nun eine zeitnahe Umsetzung der Ergebnisse der Fokusgruppe bis spätestens 2025, um das Vertrauen der Sparerinnen und Sparer in die private Altersvorsorge wiederherzustellen und eine bessere Versorgung sicherzustellen.
Ausblick: Des Weiteren möchten wir auch auf die Notwendigkeit für weitere und beständige Reformen und Dringlichkeit in Ihrer Umsetzung hinweisen, um das Rentenniveau zu sicher, den Anstieg der Abhängigkeit des Haushaltes zu kontrollieren und jüngere Generationen zu entlasten. Insbesondere die fortlaufende und erhöhte Finanzierung für das Generationenkapital mit langfristiger Orientierung an Kapitalerträgen erachten wir als notwendig.
1 / Einleitung
1.1 Entwicklung des deutschen Rentensystems
Nach zwei Jahrzehnten relativer Ruhe ist das deutsche Rentensystem reformbedürftig. Während Anfang der 1960er Jahre noch sechs Beitragszahler für einen Rentner aufkamen, prognostiziert das Statistische Bundesamt für 2030 ein Verhältnis von eins Komma fünf Beitragszahlern pro Rentner.[1] Grund ist vor allem der bevorstehende Eintritt der geburtenstarken „Babyboomer-Generation“ in den Ruhestand.
Das deutsche Rentensystem beruht auf einem Drei-Säulen-Modell, das darauf abzielt, eine breit gefächerte und robuste Altersvorsorge zu gewährleisten. Jedoch gibt es in allen drei Säulen Verbesserungsbedarf. In der ersten Säule, der gesetzlichen Rente, hat die Kombination aus Umlageverfahren und Steuerzuschüssen die Grenzen ihrer Tragfähigkeit erreicht. In den letzten Jahren stiegen die notwendigen zusätzlichen Zuschüsse des Bundeshaushalts zur gesetzlichen Rente immer stärker an. Im Jahr 2022 machte der notwendige Bundeszuschuss zur gesetzlichen Rente mit knapp 120 Milliarden €[2]fast 25% der Haushaltsausgaben[3] aus. Simulationsrechnungen zufolge, müssen im Jahre 2050 nahezu 60% des Bundeshaushalts für Überweisungen an die Rentenkassen aufgewendet werden, wenn an der doppelten Haltelinie festgehalten wird, und dass in Zeiten steigender Anforderungen an staatliche Aufgaben z.B. für die wirtschaftliche Transformation oder Verteidigung.[4] Die zweite Säule, die betriebliche Altersvorsorge, zeigt mit einer Verbreitungsquote von 54%[5], was etwa 21 Millionen aktiven Anwartschaften entspricht, eine solide Basis. Das Potenzial der bAV ist aber bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Besonders in der dritten Säule, der privaten Altersvorsorge, offenbaren sich Schwächen. Seit dem Jahr 2018 ist die Gesamtzahl der Riester-Verträge rückläufig[6]. Dieser Rückgang lässt sich auf Kritikpunkte wie geringe Renditen und komplexe Förderstrukturen zurückführen und verdeutlicht, den dringenden Handlungsbedarf in diesem Bereich. Hinzu kommt, dass große Teile der Bevölkerung, insbesondere Geringverdiener und Frauen, über keine ausreichende private Altersvorsorge verfügen.
In den letzten Jahren gab es bereits einige Weiterentwicklungen des Rentensystems, wie die Einführung des Sozialpartnermodells in der zweiten Säule durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz im Jahr 2017. Die Ampel-Koalition plant nun weitere Antworten auf diese Herausforderungen mit dem Rentenpaket II. Diese zielen darauf ab, die Rente zu stabilisieren und das Rentenniveau bis 2039 bei 48%[7] zu sichern. Unter anderem soll in der ersten Säule die Einführung des „Generationenkapitals“ eine zusätzliche kapitalgedeckte Komponente und damit eine neue Einnahmequelle für die Rente darstellen, um fehlenden Einnahmen aufgrund des demografischen Wandels entgegenzuwirken. Für die dritte Säule ist zu erwarten, dass die Empfehlungen der Fokusgruppe für private Altersvorsorge aufgegriffen werden. Hier liegt der Fokus auf der Prüfung renditestarker Anlageprodukte. Im Folgenden werden die einzelnen Reformen in den drei Säulen analysiert und diskutiert.
2 / Erste Säule
2.1 Das Generationenkapital als eine Antwort auf Herausforderungen des demografischen Wandels im deutschen Rentensystem
Insbesondere die erste Säule des deutschen Rentensystems, welche auf einem Umlageverfahren basiert, steht vor den Herausforderungen, die durch den demografischen Wandel verursacht werden. Dieses System, welches sich historisch durch seine Widerstandsfähigkeit gegenüber Schwankungen auf dem Finanzmarkt ausgezeichnet und sich über historische Brüche hinweg bewährt hat, sieht sich nun mit der Notwendigkeit konfrontiert, sich an die veränderte Bevölkerungsstruktur anzupassen. Theoretisch gibt es mehrere Optionen, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Dazu gehört unter anderem die Absenkung des Rentenniveaus, die Erhöhung der Beiträge, eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit sowie die Steigerung des Bundeszuschusses. Eine weitere Option ist es, andere Finanzierungsmöglichkeiten der gesetzlichen Rente zu schaffen.
Letztere Option will die Ampel-Koalition mit dem so genannten „Generationenkapital“ angehen. Ursprünglich plante die FDP, die kapitalgedeckte Komponente aus einem Teil der Rentenbeiträge zu finanzieren, vergleichbar mit dem schwedischen Modell. Bei diesem Modell zahlen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 2,5% ihres Bruttoeinkommens in eine kapitalgedeckte Anlageform, die sogenannte Prämienrente, ein. Beim Generationenkapital hingegen soll das zu investierende Kapital hingegen mittels eines steuerfinanzierten Darlehens des Bundes beschafft werden. Der Bundestag hat dafür die Freigabe von zunächst 12 Mrd. € für das Jahr 2024 beschlossen. Es ist außerdem zu erwarten, dass jährlich weitere, sich steigernde Milliardenbeträge in den Fonds fließen werden. Aussagen von Finanzminister Lindner und Arbeitsminister Heil zufolge soll das Generationenkapital bis 2035 ein Volumen von 200 Mrd. € erreichen und ab Mitte der 2030er Jahre helfen, den Rentenbeitragssatz zu stabilisieren. Bis die gesetzliche Grundlage gegeben ist, bleiben Details des Konstrukts unbestimmt. Es ist zu erwarten, dass für die Verwaltung des Generationenkapitals eine eigene öffentlich-rechtliche Stiftung gegründet wird, die die Verantwortung an den „Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung“ (KENFO) übergeben wird. Bei dem KENFO handelt es sich um einen rund 24 Mrd. € schweren Fonds, mit dem die permanente Lagerung von Atommüll finanziert werden soll.
2.2 Anregungen
Die Schaffung eines staatlichen Fonds als integraler Teil der gesetzlichen Rentensäule ist eine sinnvolle Ergänzung zur reinen Umlagefinanzierung. Zudem kann sie einen Impuls für marktwirtschaftlich orientiertes Sparen setzen, das auf Transparenz und Renditeorientierung setzt. Des Weiteren hat diese Initiative das Potential, die Wertpapier-Kultur in Deutschland nachhaltig zu stärken.
Laut einer aktuellen Auswertung des Deutschen Aktieninstituts (DAI) ist die Zahl der Aktionärinnen und Aktionäre in Deutschland auf einen Rekordwert gestiegen, rund 12,3 Millionen Bundesbürgerinnen und -bürger waren 2023 in Aktien investiert[8]. Erstmals seit Jahren entwickelt sich wieder ein breites Interesse an der Aktienanlage. Damit kommt diese Initiative zu einem guten Zeitpunkt. Diese positive Entwicklung bildet nicht nur eine ausgezeichnete Basis für die Idee der Aktienrente, sondern sollte von der Politik auch weiterhin unterstützt werden, um in Deutschland langfristig eine stabile Wertpapier-Kultur zu etablieren. Wir blicken in Bezug auf die Aktienrente auf erfolgreiche internationale Beispiele, wie etwa die schwedische „Prämienrente“, welche zu den Vorreitern der kapitalgedeckten Altersvorsorge gehört. Deren staatlicher „AP7 Såfa“-Fonds, einer der größten Pensionsfonds in Europa, konnte seit seinem Start in 2000 bis 2022 eine durchschnittliche jährliche Rendite von ~11.6% erwirtschaften[9]. Gemäß einer Studie des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft (IWG) verfügen die Menschen in Schweden dank ihrer jahrzehntelangen und generationenübergreifenden Erfahrung mit dem kapitalgedeckten Altersvorsorgesystem über eine ausgeprägte Resilienz im Umgang mit Kapitalmarktschwankungen und deren Konsequenzen und bewältigen wirtschaftliche Krisen souveräner[10]
Unserer Meinung nach bietet der Aufsatz des Generationenkapitals in dieser Form vielseitige Chancen. Das Generationenkapital und die damit einhergehende Aufwendung von öffentlichem Kapital in zwei- bis dreistelliger Milliardenhöhe sollten als Chance angesehen werden, verstärkt Wachstumsinvestitionen tätigen zu können. Diese stellen einen Schlüssel für die deutsche und europäische Transformation dar. Die Investitionen können nicht nur dazu beitragen, die große Finanzierungslücke in Deutschland im Bereich Wachstumsfinanzierung zu schließen, sondern insbesondere dazu genutzt werden, die nachhaltige Umgestaltung der europäischen Wirtschaft voranzutreiben. Die ökonomische Transformation der EU erfordert bis 2027 Investitionen von ~470 Mrd. € pro Jahr und stellt für uns als DWS eine der wichtigsten strategischen Geschäftsprioritäten dar[11].
Bei der Verwaltung der Renten sowie der Weiterentwicklung und Verbesserung unseres Rentensystems sollten daher verstärkt deutsche Institutionen einbezogen werden, welche durch ihre Vertrautheit mit den deutschen Unternehmen und dem deutschen Rentensystem sowie ihrem umfassenden Know-how bezüglich Investments im deutschen und europäischen Markt über einen essenziellen Heimatvorteil verfügen. Wir empfehlen daher, die Leitlinien um Aspekte wie beispielsweise ein bevorzugtes Zurückgreifen auf deutsche Markt-Expertise und eine Verknüpfung mit der Finanzierung deutscher und europäischer Engagements zu ergänzen, z. B. im Infrastrukturbereich. Hierbei ist zu betonen, dass die treuhänderische Verantwortung ein Kernaspekt bleibt. Eine diversifizierte Anlagestrategie, die lokale Wachstumsinvestitionen mit einer globalen Diversifikation kombiniert, trägt dazu bei, das Risiko zu streuen, und stellt langfristige und stabile Erträge in Aussicht.
Im Großen und Ganzen sehen wir viel Potential in der Idee einer Aktienrente, erkennen bis dato aber auch noch einige Schwachstellen. Insbesondere bewerten wir die Höhe der Beiträge, welche aktuell bei 12 Mrd. € mit 3% Wachstum pro Jahr angesetzt wurden plus weitere € 15 Mrd. an Bundesbeteiligungen, als zu niedrig. Der deutschen Rentenversicherung zufolge müsste der Fonds einen Ertrag von 17 Mrd. € jährlich erwirtschaften[12], um den Anstieg des Beitragssatzes um einen Prozentpunkt zu verhindern. Bei einer angenommenen jährlichen Rendite von 8%, müsste das Fondsvolumen zur Auszahlungsphase etwa 212,5 Mrd. € betragen. Diese Renditenannahme basiert auf historischen Wertentwicklungsdaten des MSCI World Index (ein globaler Aktienindex, welcher die Entwicklung von Unternehmen aus Industrieländern abbildet) über mehrere Jahrzehnte[13]. Jedoch ist eine solche Durchschnittsrendite keinesfalls garantiert. In diesem Zusammenhang bewerten wir den Zeithorizont, indem Kapital aufgebaut werden soll, als zu kurz. Um einen nennenswerten Kapitalaufbau und damit eine spürbare Entlastung des Rentensystems zu erreichen, bedarf es einer langfristigen Finanzierung über weitere Wahlperioden hinweg, sowie einer professionellen und durchdachten Kapitalanlage. Um einem ausschlaggebenden Volumen in Zukunft näherzukommen, empfehlen wir einen gewissen Anti-Zyklus, was die Einzahlungen betrifft. In Zeiten von starkem Wachstum, welche mit hohen Steuereinnahmen und einer geringen Arbeitslosigkeit einhergehen, sollte der Staat höhere Beträge in den Fonds einzahlen, um den Druck auf die Rentenkasse auszugleichen, wenn sich der Zyklus dreht.
Alles in allem wird es allerhöchste Zeit, die gesetzliche Rente zu reformieren und sich an Vorbildern wie dem schwedischen Modell zu orientieren. Für eine nachhaltige Zukunft ist es unabdingbar, dass zukünftige Reformen der ersten Säule die Prinzipien der Generationengerechtigkeit in den Vordergrund stellen, indem eine faire Verteilung der finanziellen Lasten zwischen den Generationen gewährleistet ist. Damit es sich bei dem Generationenkapital nicht um eine „Eintagsfliege“ handelt, bedarf es einer dauerhaften Finanzierung über weitere Wahlperioden hinweg, eine kontinuierliche Weiterentwicklung und einer professionellen und durchdachten Kapitalanlage.
Vollständiger Artikel auf Seite 2.
3 / Zweite Säule
3.1 Weitere Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge (bAV)
Die zweite Säule des deutschen Rentensystems stellt die bAV dar. Sie liegt immer dann vor, wenn einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt werden. In Deutschland wird die bAV rechtlich unter anderem durch das Betriebsrentengesetz flankiert. Neben der Möglichkeit, die bAV betriebsintern im Wege der Direktzusage durchzuführen, stellt das Betriebsrentengesetz noch vier weitere externe Durchführungswege zur Verfügung, bei denen die späteren Versorgungsleistungen durch Beitragszahlungen an externe Versorgungseinrichtungen finanziert werden. Hierbei bleibt der Arbeitgeber stets für die von ihm zugesagte Versorgungsleistung einstandspflichtig, sollte diese nicht bzw. nur teilweise durch die Versorgungseinrichtung erbracht werden können.
Möchte ein Unternehmen, welches eine bAV im Wege der Direktzusage anbietet, diese zusätzlich mit Kapital finanzieren und extern auslagern, so gibt es auch hierfür etablierte Möglichkeiten. Durch Treuhandkonstruktionen, sogenannte Contractual Trust Arrangements (CTAs), kann der Arbeitgeber finanzielle Mittel bereitstellen, die fortan ausschließlich zur Finanzierung der bAV genutzt werden dürfen. Für das Unternehmen hat dies zudem den Vorteil, dass nach den einschlägigen Rechnungslegungsstandards (HGB, IFRS & USGAAP) eine Saldierung von Verpflichtung und Vermögen und damit eine Bilanzverkürzung erreicht werden kann. Ein solches Konstrukt bietet den Versorgungsberechtigten darüber hinaus einen zusätzlichen Insolvenzschutz für den Fall, dass das zusagende Unternehmen nicht mehr zahlungsfähig sein sollte. Mit dem Pensionssicherungsverein (PSV) gibt es zwar eine staatliche Institution zum Insolvenzschutz von Betriebsrenten, die einen Großteil der gängigen Leistungen aus betrieblicher Altersversorgung abdeckt, allerdings umfasst der Insolvenzschutz nicht vollumfassend alle Leistungen.
Ob ein Arbeitgeber eine durch ihn (teil)finanzierte bAV anbieten möchte, bleibt ihm überlassen. Seitens der Arbeitnehmer besteht lediglich ein Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung im Wege einer Direktversicherung oder über einen anderen versicherungsförmigen Durchführungsweg, sofern der Arbeitgeber diesen anbietet.
Die Verbreitung der bAV insbesondere bei den kleinen und mittelständischen Unternehmen ist immer wieder Gegenstand der öffentlichen Diskussion. Seit 2015 ist der Anteil der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten mit einer bAV an allen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten von rund 56,2% auf rund 53,9% im Jahr 2019 zurückgegangen[14]. Laut Ergebnissen der „Trägerbefragung zur Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung 202,” veröffentlicht vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im März 2023, sei der Anteil bis 2021 wieder leicht gestiegen[15]. Das erlaubt unseres Erachtens jedoch keine Trendaussage und vor allem auch keine Aussage im Hinblick auf einen möglichen Erfolg des Sozialpartnermodells. Dazu im folgenden Abschnitt mehr.
Eine bedeutende Reform der bAV der vergangenen Jahre ist im Betriebsrentenstärkungsgesetz verankert. Es soll die freiwillige Verbreitung der bAV besonders auch bei kleineren und mittleren Unternehmen durch gezielte Maßnahmen im Arbeits-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht fördern. Mit Inkrafttreten am 1. Januar 2018 führte das Betriebsrentenstärkungsgesetz die reine Beitragszusage als eine neue Zusage Form auf tariflicher Grundlage in das deutsche Betriebsrentensystem ein. Bisher kannte das Betriebsrentengesetz drei Zusage Formen: die Leistungszusage, die beitragsorientierte Leistungszusage und die Beitragszusage mit Mindestleistung. Diese Zusagen sind unter bestimmten Voraussetzungen und in einem definierten Umfang über den Pensionssicherungsverein gegen die Insolvenz des Arbeitgebers gesichert. Zugleich haftet der Arbeitgeber für die Erfüllung der zugesagten Versorgungsleistung. Bei der reinen Beitragszusage haftet der Arbeitgeber nicht mehr für die Erfüllung der Versorgungszusage. Die Sozialpartner können eine reine Betragszusage ohne garantierte Leistung vereinbaren Sozialpartnermodell und diese zusätzlich mit einer verpflichtenden Entgeltumwandlung mit Abwahlmöglichkeit für die Arbeitnehmer (Opting Out) versehen. Neben des 15%igen Arbeitgeberzuschusses bei Entgeltumwandlung, soweit es zur Einsparung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Arbeitgeber kommt, wurden weitere arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtliche Änderungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Betriebsrentenstärkungsgesetz geregelt, auf die hier jedoch nicht näher eingegangen werden soll.
3.2 Anregungen
Die Stärkung der ersten Säule durch eine zusätzliche kapitalgedeckte Finanzierung ist auch aus Sicht der bAV ein geeignetes Mittel, die Finanzierungslücke der gesetzlichen Rentenversicherung in Angriff zu nehmen und erforderlich, um ihrer Rolle als tragende Säule im Rentensystem in Zukunft gerecht zu werden. An der wachsenden Bedeutung einer ergänzenden bAV ändert dies jedoch nichts. Auch wenn das Beitrags- und Rentenniveau unter anderem mit Hilfe des Generationenkapitals vorerst stabilisiert werden kann, bleibt die zusätzliche Alterssicherung über eine Betriebsrente notwendig, um die Rentenlücke im Alter zu schließen – eine Herausforderung, die insbesondere die jüngeren Generationen betrifft. Generationengerechtigkeit in der Altersversorgung wird daher durch die zweite Säule wirkungsvoll unterstützt. Es ist also sehr zu begrüßen, dass die Bundesregierung die bAV weiter stärken und für ihre Verbreitung sorgen möchte.
Das Sozialpartnermodell kann Impulse zur Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung setzen, ist aber auch, wie die kürzlich erfolgte Entscheidung der IG Metall nahelegt, nicht für alle am Sozialpartnermodell potenziell Beteiligten der geeignete Weg hin zu einer flächendeckenden bAV. Dazu wären, neben anderen Maßnahmen, unseres Erachtens weitere Öffnungsmöglichkeiten für teilnahmewillige Unternehmen hilfreich. Das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales arbeiten derzeit an Regulierungen im Arbeits-, Steuer- und Finanzaufsichtsrecht, im Zuge dessen auch eine Sozialpartnermodellöffnung für nicht tarifgebundene Unternehmen erfolgen könnte - so hoffen jedenfalls die derzeitigen Marktteilnehmer.
Das Betriebsrentengesetz eröffnet neben dem Sozialpartnermodell z.B. mit der beitragsorientierten Leistungszusage für die Verbreitung der bAV geeignete Wege. Zwar haftet der Arbeitgeber weiterhin für die Leistungen, die er versprochen hat, jedoch kann einer Begrenzung der Haftungsrisiken durch unterschiedliche Mechanismen Rechnung getragen werden und damit wird insgesamt zu einer Verbreitung der bAV beitragen.
Zum einen stellt sich bei der beitragsorientierten Leistungszusage die Frage nach der Haftungshöhe. Im Gesetz ist jedenfalls keine Mindestleistung geregelt. Dass den Arbeitgeber eine Garantie treffen muss, ist in der Praxis und Literatur unbestritten. Es besteht jedoch Rechtsunsicherheit in Bezug auf die Garantiehöhe. Klarheit kann in jedem Fall der Gesetzgeber schaffen, indem er eine solche definiert, Hinweise kann auch die Rechtsprechung liefern. In der Praxis ist zumindest für Neuzusagen teilweise ein Garantieniveau von 80% zu beobachten.
Zum anderen können Kapitalanlagestrategien helfen, die Haftungsrisiken für Arbeitgeber zu minimieren und im gleichen Zug den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine attraktive Versorgungszusage anzubieten. Bei wertpapiergebundenen Versorgungszusagen haben sich Lebenszyklusmodelle etabliert. Diese sollen für eine Balance zwischen den Ertragszielen der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters (Return) und dem Schutz des angesparten Vermögens (Risiko) gewährleisten. Charakteristisch ist hierbei eine altersabhängige Staffelung der Kapitalanlage, bei der die Beiträge in rentenfernen Altern ertragsorientierter angelegt werden und mit steigendem Alter in weniger risikoreiche Assetklassen umgeschichtet wird, um das angesparte Kapital vor einem etwaigen Kapitalmarkteinbruch zu schützen.
Nicht nur die Beschränkung der Haftungsrisiken des Arbeitgebers kann aus unserer Sicht die Verbreitung der bAV in Deutschland unterstützen. Denkbar und immer wieder in Diskussion bzw. auf der Agenda sind Erleichterungen im Steuer- und Sozialrecht z.B. Reform des § 6a EstG, Erweiterung der Abfindungsmöglichkeiten. Denkbar sind auch Subventionierungen der Unternehmen, die eine arbeitgeberfinanzierte bAV anbieten. Diese könnten bspw. durch steuerliche Erleichterungen umgesetzt werden. Auf diese Weise könnte der Vorteil der Finanzierung der Altersversorgung durch den Arbeitgeber mehr genutzt werden. Dabei sollte sich vor Augen gehalten werden, dass Subventionen, die die zweite Säule stärken, die erste Säule durchaus entlasten können. Im Großen und Ganzen sehen wir die Notwendigkeit, die betriebliche Altersvorsorge weiter zu stärken und für die weitere Verbreitung zu sorgen.
4 / Dritte Säule
4.1 Notwendigkeit der Umsetzung der Vorschläge aus der Fokusgruppe private Altersvorsorge
Die dritte Säule des deutschen Rentensystems umfasst die private Altersvorsorge, welche verschiedene Anlagenformen wie Rentenversicherungen, Lebensversicherungen, den Kauf einer Immobilie oder Investitionen in Aktien, Fonds oder ETFs umfasst. Die Nutzung dieser Säule wird durch staatliche Förderungen wie Riester- oder Rürup-Rente unterstützt und verfolgt das Ziel, ein zusätzliches Angebot zur Lebensstandardsicherung nach Renteneintritt für breite Bevölkerungsgruppen zu schaffen.
Rund 15,5 Millionen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen besitzen aktuell einen solchen staatlich geförderten Altersversorgungsvertrag[16]. In den letzten Jahren waren Neuabschlüsse allerdings stark rückläufig und Kündigungen und Stilllegungen von Altersvorsorgeverträgen nahmen deutlich zu. Dies ist auf verschiedene Kernprobleme wie geringe Renditen und komplexe Förderstrukturen zurückzuführen.
Um die dritte Säule attraktiver und effizienter zu gestalten, hat sich im Frühjahr 2023 die Fokusgruppe private Altersvorsorge intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und in ihrem veröffentlichten Abschlussbericht einige Empfehlungen ausgesprochen. Besonders im Fokus stand dabei eine Verbesserung der staatlich geförderten Altersvorsorge (Riesterrente), sowie sinnvolle Alternativen dazu:
- Abschaffung der verpflichtenden 100%-Beitragsgarantie
- Abschaffung der Pflicht zur lebenslangen Rente
- Dynamisierung der Förderung statt der aktuell statischen, die somit real mit jedem Jahr sinkt
- Vereinfachung der Systematik zur Ermittlung des Mindestbeitrags / Förderanspruchs
- Ausweitung staatlicher Förderung auf ein neues leistungsstarkes Vehikel für eine kapitalgedeckte Vorsorge
4.2 Anregungen
Wir begrüßen sehr, dass die Fokusgruppe private Altersvorsorge nicht nur empfiehlt, zusätzliche Anreize für das Altersvorsorgesparen mit Fondsdepots zu schaffen, sondern auch, dass die Ampelkoalition offensichtlich die lange überfällige Reform der Riester-Rente in Angriff nehmen möchte. Das ist insbesondere für Geringverdiener eine sehr gute Botschaft. Denn für diese Zielgruppe ist die Zulagenförderung schlicht die beste Art, nennenswertes Vermögen für die Altersvorsorge aufzubauen. Wichtig ist nun eine schnelle Umsetzung der Ergebnisse der Fokusgruppe bis spätestens 2025, um das Vertrauen der Sparerinnen und Sparer in die private Altersvorsorge wiederherzustellen und eine bessere Versorgung sicherzustellen.
Das von der Expertenkommission vorgeschlagene neue Fondsdepot ist ein mutiger und richtiger Schritt hin zu einer modernen, kostengünstigen und einfachen Altersvorsorge mittels Investmentfonds. Die vorgeschlagene Form der Förderung schafft es auf einfache Art und Weise, Anreize zu schaffen, früh mit dem Sparen zu beginnen und die angesparten Mittel bis zum Rentenalter liegen zu lassen. Das sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren für den Aufbau von Vermögen.
Zudem wagt sich die Fokusgruppe der Ampel an die seit zwei Legislaturperioden überfällige Reform der Riester-Rente mit sehr guten Vorschlägen. Das der Zwang zu einer 100% Beitragsgarantie entfallen soll, sofern diese von den Sparerinnen und Sparer gewünscht ist, ist zu begrüßen. Bei einem langen Vorsorgezeitraum können Garantien Sparer benachteiligen, weil Anbieter dazu gezwungen werden, primär in sicherheitsorientierte Anlagen zu investieren, wodurch wiederum das Renditepotential verringert wird. Die Abschaffung des Zwangs zu einer lebenslangen Verrentung bedeutet nicht, dass diese Produktvarianten nicht mehr angeboten werden. Es gibt Sparerinnen und Sparern aber deutlich mehr Freiheit, das Produkt an ihre Lebensumstände, die individuelle Ruhestandsplanung sowie an ihre gesundheitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen anzupassen.
Es ist sehr zu begrüßen, dass die Ampel ein Problem anpacken will, das viel zu lange ungelöst geblieben ist. Wir freuen uns über jeden Impuls, der die private Vorsorge einfacher, flexibler und besser macht und empfehlen eine zügige Umsetzung bis 2025. Nun kann die Koalition ihren Anspruch einlösen, „mehr Fortschritt (zu) wagen“[17] und die seit Jahren überfällige Reform der privaten Altersvorsorge auf Basis der Ergebnisse der Fokusgruppe umsetzen.