18. Juli 2022 CIO Special

Italien und die EZB - (k)ein Déjà vu

Wir sehen das neue Anti-Fragmentierungs-Instrument der EZB vorsichtig optimistisch. Die Anleihemärkte der Eurozone stehen heute besser da als vor zehn Jahren – trotz der politischen Turbulenzen in Italien.

  • Angesichts der Regierungskrise in Rom und der Marktbewegungen der letzten Monate fürchten viele bereits weitere Krisen der Eurozone.
  • Vor der Sitzung des EZB-Rats am 21. Juli sind wir vorsichtig optimistisch, dass sich diese Befürchtungen als überzogen herausstellen werden.
  • Ein genauerer Blick auf Italien zeigt, dass sich die Probleme in den Euro-Peripheriestaaten derzeit bewältigbar scheinen. Dennoch gibt es für Europa insgesamt mehr als genügend Anlass zur Sorge.

In diesem Sommer dürften viele Zeitungsleser ein gewisses Déjà-vu-Erlebnis haben. Wieder einmal kommt es in Südeuropa zu politischen Umwälzungen. Das Überleben der italienischen Regierung unter Ministerpräsident Mario Draghi hängt an einem seidenen Faden. Vorgezogene Neuwahlen stehen im Raum.[1] Parallel dazu nehmen bereits seit einigen Monaten die Sorgen an den Finanzmärkten zu, dass eine neue Eurokrise drohen könnte. Viel dreht sich dabei um die „Fragmentierungsrisiken“, eine neue Bezeichnung für Phänomene, die vielen Marktteilnehmern vertraut sein sollten. Isabel Schnabel, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB), äußerte sich vor kurzem in einer Rede so: „Einfach ausgedrückt bedeutet Fragmentierung einen plötzlichen Bruch in der Beziehung zwischen Staatsanleiherenditen und Fundamentaldaten, aus dem eine nicht-lineare und destabilisierende Dynamik entstehen kann.“[2] Im ersten Abschnitt gehen wir kurz darauf ein, was sich seit früheren Krisen geändert hat und was nicht. Nach unserer Einschätzung verweist die vor kurzem angepasste Wortwahl der EZB zum Teil auf ein besseres und zunehmend auch allgemein gültiges Verständnis dafür, wie und wann die EZB eingreifen soll. Im zweiten Abschnitt erklären wir die Gründe für unseren vorsichtigen Optimismus, warum es der EZB gelingen dürfte, die Renditen von Staatsanleihen aus der Peripherie der Eurozone im Vergleich zu deutschen Staatsanleihen nicht zu sehr aus dem Ruder laufen zu lassen. Trotz des möglichen Sturzes der italienischen Koalitionsregierung scheinen die Probleme an der Peripherie der Eurozone insgesamt beherrschbar. Am Ende dieses Beitrags gehen wir allerdings auf einige aktuelle Themen ein, die für die Eurozone insgesamt weiterhin Anlass zur Sorge geben.

1 / Eine kurze Zusammenfassung der Grundlagen der Eurozonen-Krisenökonomie

Wie und warum könnten die Staatsanleihemärkte Italiens – oder auch eines anderen Mitglieds der Eurozone – erneut ins Trudeln geraten? Falls Sie glauben, eine konkrete Vorstellung über bestimmte Hürdenwerte etwa bei den Renditeabständen zwischen deutschen und italienischen Staatsanleihen oder auch das Niveau der Staatsverschuldung zu haben, denken Sie noch einmal darüber nach. An und für sich sagt der Abstand zwischen unterschiedlichen Anleihen nur aus, welches Risiko die Märkte zu diesem Zeitpunkt sehen. Außerdem sind Renditeabstände immer relativ – Anleihen verschiedener Emittenten oder Arten von Emittenten werden miteinander verglichen. Rückblickend könnte sich herausstellen, dass die Märkte beides falsch eingeschätzt hatten. In der Tat – und das räumt sogar die EZB inzwischen ein – war einer der Gründe für die anfänglichen Krisen in der Eurozone, dass die Finanzmärkte in den ersten Jahren der gemeinsamen Währung im neuen Jahrtausend nicht ausreichend zwischen guten und schlechten Schuldverschreibungen unter den Staatsanleihen verschiedener Mitgliedsstaaten unterschieden haben.[2] Dadurch konnten wiederum Verwerfungen entstehen.

Natürlich wurden im Vertrag von Maastricht Verpflichtungen festgeschrieben, die Verschuldung oder Haushaltsdefizite unter gewissen Marken zu halten – so darf die Gesamtverschuldung jedes einzelnen Mitgliedsstaates 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht übersteigen. Werden diese Verpflichtungen verletzt, wie dies über weite Strecken seit der Einführung der gemeinsamen Währung von den größeren Gründungsmitgliedern der Fall gewesen ist, führt dies in der Regel eher zu politischen Streitigkeiten als unmittelbar zu einer Wirtschaftskrise.[3] Erfahrungen sowohl innerhalb als auch außerhalb der Eurozone zeigen, dass es keine allseits gültige „angemessene“ Staatsverschuldungsquote gibt, die eindeutig eine Grenzlinie zwischen Sicherheit und Gefahr zieht. Vor der Finanzkrise, die im Sommer vor fünfzehn Jahren die Banken und Staaten der Eurozone erschütterte, standen beispielsweise die Staatshaushalte von Spanien und Irland als recht gesund da. Allerdings hatte damals der Privatsektor nicht dauerhaft tragbare Schulden angehäuft, hauptsächlich Hypothekenkredite zum Kauf von Häusern, die sich als überteuert herausstellten. Dagegen zeigt die Erfahrung Japans schon seit langem, dass eine hohe Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP nicht unbedingt ein Problem sein muss – vorausgesetzt, dass ein Land in seiner eigenen Währung Schulden aufnehmen kann und eine Zentralbank hat, die in der Lage und Willens ist, diese Staatsanleihen zu kaufen, sodass die Finanzierungskosten des Staates niedrig bleiben.

Womit wir zu dem Grund kommen, der für die Tragfähigkeit von Schulden wirklich eine Rolle spielt: Nämlich die Höhe der Zinsen, die die Regierung des betreffenden Landes für ihre bestehenden Schulden im Vergleich zum Wachstum des nominalen BIP zahlen muss. Letzteres bestimmt weitgehend die Steuereinkünfte einer Regierung. Grob lässt sich sagen, dass sich bei ansonsten gleichen Bedingungen die Schuldenlast verringert, wenn das nominale Wirtschaftswachstum höher ist als die nominalen Zinszahlungen. Dagegen kann eine anfänglich niedrige Verschuldung wie bei einem Schneeballsystem außer Kontrolle geraten, wenn die Zinsen in die Höhe schießen, während die Wirtschaft schrumpft oder stagniert. Dies führt sehr schnell dazu, dass die Zinszahlungen schneller wachsen als das nominale Bruttoinlandsprodukt. Diese Dynamik bestimmte die Krisenökonomie der Eurozone vor zehn Jahren – daneben musste der öffentliche Sektor private Banken retten und stark verschuldete Haushalte unterstützen.

Zumindest aus heutiger Sicht erscheint die Lage nun etwas besser. Historisch gesehen sind die Renditen 10-jähriger italienischer Staatsanleihen immer noch eher niedrig. Dagegen dürfte das nominale BIP-Wachstum im letzten und wohl auch in diesem Jahr höher sein als jemals zuvor seit 2000 – es ist etwa doppelt so hoch wie die nominalen Zinsen.[4] Unserer Einschätzung nach, verbessert auf kurze Sicht die Inflation – und der Schub, den sie dem nominalen BIP verleiht – die Tragfähigkeit der italienischen Staatsverschuldung.

Renditen 10-jähriger italienischer Staatsanleihen

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Quellen: Refinitiv, DWS Investment GmbH; Stand: 15.07.2022

Warum haben sich dann die Experten überhaupt Sorgen gemacht, und zwar schon lange vor dem politischen Chaos in Rom der vergangenen Woche? Warum will die EZB ein neues Anti-Fragmentierungs-Instrument einführen, das intern als „Transmission Protection Mechanism (TPM)“ bezeichnet wird und wenn irgendwie möglich auf dem für den 21. Juli 2022 geplanten Treffen des EZB-Rates vorgestellt werden soll? Diese Frage lässt sich in zwei Teilen beantworten: Beginnen wir mit dem allgemeineren Teil, in dem es um den Inflationsdruck und überbordende Inflationsängste geht.[5] Um letzteres zu verhindern, haben die Zentralbanken überall auf der Welt damit begonnen, die Zinsen zu erhöhen und ihre Staatsanleihekaufprogramme zurückzufahren. Die EZB hat versprochen, ebenfalls diesen Weg einzuschlagen und im Juli zum ersten Mal seit über einem Jahrzehnt die Zinsen anzuheben.

Kommen wir noch einmal auf Japan zurück, um zu sehen, warum dies für die Staatsfinanzen – mit oder ohne gemeinsame Währung – Schwierigkeiten auslösen kann. Weiter oben hatten wir geschrieben, dass eine hohe Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP nicht immer ein Problem sein muss – vorausgesetzt, dass sich ein Land in seiner eigenen Währung verschulden kann und eine Zentralbank hat, die in der Lage und Willens ist, diese Anleihen zu kaufen. Somit bleiben die Finanzierungskosten niedrig. Inflation und eine schwächere Währung sind die herkömmlichen Gründe, warum eine Zentralbank nicht länger bereit und in der Lage sein könnte, diese geldpolitischen Maßnahmen weiter zu verfolgen. Bisher scheint dies für die Bank of Japan (BoJ) noch kein Thema zu sein – dies könnte sich aber ändern.[6]

Für die EZB stellt die Inflation in der Eurozone bereits jetzt eine überall spürbare Bedrohung dar – ein Grund, warum sie offensichtlich bestrebt ist, die geldpolitischen Zügel insgesamt anzuziehen. Der geplante TPM ist als Versuch zu verstehen, den Schock durch schnelle Zinsanhebungen für stärker verschuldete Mitgliedsstaaten abzufedern. Dies ist der zweite Teil der Antwort auf die oben gestellte Frage. Und hier geht es jetzt auch um Renditeabstände, auch Spread genannt, wie beispielsweise zwischen 10-jährigen Staatsanleihen der italienischen und der deutschen Regierung. Aus historischer Sicht sind diese bislang auf niedrigem Niveau, aber der sich in den letzten Monaten ausweitende Spread lässt bei der EZB die Alarmglocken schrillen.

Renditeabstände zwischen 10-jährigen italienischen und deutschen Staatsanleihen

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Quellen: Refinitiv, DWS Investment GmbH; Stand: 15.07.2022

Warum macht sich die Europäische Zentralbank Sorgen? An dieser Stelle sei daran erinnert, dass die EZB mit einer Änderung der Leitzinsen die Kreditkosten im Privatsektor nur sehr indirekt beeinflussen kann. Der Großteil der Kreditaufnahme erfolgt in der Eurozone nach wie vor über Bankkredite – und die von den Banken geforderten Zinsen verändern sich in der Regel parallel zur Rendite der länger laufenden Staatsanleihen des betreffenden Landes, nicht mit den Kurzfristzinsen der EZB.

Weiten sich die Spreads aus, dann erhöht dies nicht nur die Kreditfinanzierungskosten der italienischen Regierung, sondern auch die Kreditkosten für die Bankkredite italienischer Privathaushalte und Unternehmen. Ein immer größer werdender Abstand zwischen den Staatsanleihen Italiens und Deutschlands kann somit auch bedeuten, dass die Kreditkosten des privatwirtschaftlichen Sektors im Vergleich zu dem, was nördlich der Alpen passiert, stärker steigen, als dies für Unternehmen und Haushalte südlich der Alpen von der EZB gewünscht ist. Eine derartige Fragmentierung kann die monetären Transmissionsmechanismus behindern und ist im gemeinsamen Wirtschaftsraum der Europäischen Union (EU) problematisch. Was alles noch schlimmer macht – die Situation kann leicht aus dem Ruder laufen. So könnten die Sorgen über die italienische Staatsverschuldung zum Beispiel auf die italienischen Banken übergreifen, die immer noch einen Großteil dieser Kredite in ihren Büchern halten – oder umgekehrt. Der TPM soll diesen Teufelskreis stoppen – im Idealfall, bevor er außer Kontrolle gerät.

2 / Warum wir vorsichtig optimistisch sind

Wird das neue Anti-Fragmentierungs-Instrument der EZB funktionieren? Unmöglich zu sagen, nicht zuletzt angesichts der politischen Unsicherheiten in Rom. Zum jetzigen Zeitpunkt scheint es wahrscheinlich, dass Mario Draghi nächsten Mittwoch vor dem Parlament sprechen wird.[7] Tags darauf soll das neue EZB Instrument vorgestellt werden. Da kann natürlich einiges schief gehen. Wissenschaftlicher formuliert könnte man auch sagen, dass sich nicht-lineare und destabilisierende Dynamiken eben in der Regel nur schwer vorhersagen lassen. Was auch immer die EZB präsentiert, die Märkte könnten auch testen wollen, ob Europas Geldhüter unverändert bereit und in der Lage ist, „alles Notwendige (Whatever it takes)“ zu unternehmen, um eine funktionierende Währungsunion am Leben zu erhalten. Dies waren die Worte von Mario Draghi, des damaligen Präsidenten der EZB, vor zehn Jahren.[8] Ob seine Nachfolger ähnlich erfolgreich sein werden, bleibt offen, bis wir alle Details zum neuen Instrument kennen, vielleicht sogar darüber hinaus.

Dennoch sind wir vorsichtig optimistisch. In den letzten zehn Jahren versuchten verschiedene italienische Regierungen, bestehende Schwachstellen zu beseitigen – angefangen vom Justizsystem bis hin zu den Wettbewerbsregelungen. Mit Draghi als Premierminister entwickelte sich hier eine zusätzliche Dynamik. Italien profitiert besonders von den im Zusammenhang mit der Pandemie aufgelegten Unterstützungsprogrammen der EU, zum Teil weil das Land in der Lage war, schnell auf die verschiedenen von der Europäischen Kommission gestellten Bedingungen zu reagieren. Zum ersten Mal seit vielen Jahren wurde so mehr im öffentlichen Sektor investiert. Durch diese Investitionen werden wiederum parallel zu den Reformen die längerfristigen BIP-Wachstumsaussichten gestützt.

Investitionen der öffentlichen Hand in Italien

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Quellen: Ameco, Haver Analytics, DWS Investment GmbH; Stand: 30.06.2022

Die jetzt ausgezahlten EU-Mittel haben den zusätzlichen Vorteil, dass sie die italienische Politik in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten im Vorfeld der spätestens am 28. Mai 2023 anstehenden Parlamentswahlen etwas stabilisieren dürften.[9] Bis dahin werden wir wohl weiterhin ziemlich viel politisches Geplänkel erleben, bei dem sich verschiedene Gruppierungen innerhalb und außerhalb der regierenden Koalition in Position bringen.[10]

Aufgrund der verschiedenen Manöver und Gegenmanöver hat Draghi vergangenen Donnerstag seinen Rücktritt als Ministerpräsident angeboten. Präsident Sergio Mattarella hat den Rücktritt abgelehnt und hofft vermutlich, dass eine Regierung der nationalen Einheit bis kommenden Mittwoch die volle parlamentarische Unterstützung zurückgewinnen kann.[11] Die Urteile und Fehleinschätzungen verschiedener politischer Akteure, die zu dieser Krise beigetragen haben, würden wahrscheinlich eine buchlange Analyse nach dem Vorbild von Niccolò Machiavellis klassischer politischer Abhandlung erfordern.[12] Aber angesichts der hochkomplexen und unvorhersehbaren politische Situation sehr vereinfacht gesagt, bleiben vorgezogene Neuwahlen vorerst ziemlich unwahrscheinlich, weil das nicht im Wahlinteresse der meisten betroffenen Parteien wäre.

Im Vergleich zu anderen Volkswirtschaften in der Eurozone steht Italien außerdem in verschiedenen Bereichen inzwischen relativ gut da. So ist zum Beispiel die Anzahl notleidender Kredite bei italienischen Banken auf ein überschaubares Niveau gesunken – ein ewiges Problem während früherer Krisen.

Notleidende Kredite in Italien, im Verhältnis zum Gesamtkreditvolumen

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Quellen: Refinitiv, DWS Investment GmbH; Stand: 08.07.2022

Während die Verschuldung der öffentlichen Hand tatsächlich höher ist als in den anderen großen Ländern der Eurozone, stehen italienische Haushalte und sowohl Finanzunternehmen als auch andere Unternehmen vergleichsweise gesund da. 

Gesamtverschuldung in % des BIP verschiedener italienischer Sektoren im Vergleich zu anderen Ländern

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Quellen: Haver Analytics, DWS Investment GmbH; Stand: 30.06.2022

In Italien ist auch kein übermäßiger Anstieg der Immobilienpreise zu beobachten. Die meisten Hypothekendarlehen haben außerdem lange Laufzeiten und feste Zinssätze, sodass italienische Haushalte relativ wenig von steigenden Zinsen zu befürchten haben.

Immobilienpreise in Spanien, Deutschland und Italien

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Quellen: Haver Analytics, DWS Investment GmbH; Stand: 30.06.2022

Ähnlich wie die Haushalte hat auch der italienische Staat lange Laufzeiten für seine Anleihen vereinbart, sodass höhere Zinsen erst nach längerer Zeit durchschlagen würden.

3/ Fazit

Dieser Beitrag hat die grundlegenden Elemente der Krisenökonomie der Eurozone zusammengefasst und die Hintergründe der jüngsten politischen Umwälzungen in Italien beleuchtet. Auf diesen Grundlagen haben wir die Gründe für unseren vorsichtigen Optimismus beschrieben, warum das neue Anti-Fragmentierungs-Instrument der EZB, das intern als Transmission Protection Mechanism (TPM) bezeichnet wird, eine an der Peripherie der Eurozone aufkommende Panik durchaus erfolgreich eindämmen dürfte. Bemerkenswert ist etwa, dass es in den letzten Jahren nur wenige Anzeichen einer Ansteckung der Anleihenmärkte in den verschiedenen Ländern gab, die früher unter dieser Überschrift zusammengefasst wurden.

Dennoch sind Probleme nicht von der Hand zu weisen. Seit der letzten Krise hat die EZB viele zusätzliche Instrumente entwickelt und an Flexibilität und Erfahrung, wie diese am besten eingesetzt werden können, gewonnen. Der TPM ist jetzt allerdings als ihr wichtigster neuer „Verteidigungsmechanismus“ ein bislang unerprobtes Instrument. Wie bei seinen Vorgängern wird es wohl am Anfang nicht nur einige Schwächen geben, die beseitigt werden müssen, sondern sowohl auf Ebene der gesamteuropäischen Institutionen als auch in einzelnen Mitgliedsstaaten politische und rechtliche Herausforderungen. Zum Teil als Ergebnis ähnlicher Herausforderungen in der Vergangenheit ist der Aufbau einer Finanzarchitektur für die gesamte Eurozone noch lange nicht abgeschlossen.

So ist Europa von einem Einlagensicherungssystem für die gesamte Eurozone noch ein gutes Stück entfernt. Sein Bankensystem und seine Kapitalmärkte sind alles andere als einheitlich. Dies könnte nicht nur für Italien, sondern auch für andere Mitgliedsstaaten ein Problem sein, das die Märkte als nicht unerheblich einschätzen. Vor allem, wenn sich das Wirtschaftswachstum plötzlich abschwächen sollte, könnte die Situation ungemütlich werden – und nicht nur in Italien. Vor dem Hintergrund einer durch Wladimir Putins Krieg gegen die Ukraine ausgelösten noch breiteren Energiekrise in Europa erscheinen andere Länder, besonders Deutschland, ebenso verwundbar. Aber genau das erlaubt seltsamerweise einen gewissen Optimismus. Wenn sich durch diese jüngsten Herausforderungen herausstellen sollte, dass die europäische Solidarität keine Einbahnstraße ist, könnte dies weitere Fortschritte bei der Integration in eine gemeinsame Finanzarchitektur der Eurozone ermöglichen und die Grundfesten der gemeinsamen Währung weiter stärken. Kurzum: Vieles bereitet auch uns durchaus Sorgen– und zwar deutlich über die Ereignisse in Rom und bei der EZB in den nächsten Tagen hinaus.

 

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