17. Apr. 2023 Makro

Deglobalisierung – wohl eher diversifizierte Globalisierung

Brexit, Trump, Covid-19 und zuletzt der Ukraine-Krieg. Ist das das Ende der Globalisierung? – wir glauben es nicht

Lange Zeit wurde das Thema Globalisierung aus Sicht der Ökonomen vor allem auf zwei Punkte reduziert: Unternehmen profitieren von niedrigeren Einsatzkosten und neuen Absatzmärkten, Konsumenten profitieren von niedrigeren Preisen. Die politische Einordnung war immer schon komplexer. Die Hoffnung, globaler Handel, eingebettet in multilaterale Regelwerke, würde militärische Konflikte unwahrscheinlicher machen, wurde nicht erst durch Russlands Einmarsch in die Ukraine enttäuscht. Schon deutlich früher zeigte sich, dass manche Länder sich häufiger, und mitunter deutlich, gegen die ökonomisch sinnvollste Alternative entscheiden. Auch in den Industrieländern traten zunächst unterschätzte politische Folgen spätestens mit dem Brexit und der Wahl Trumps für alle sichtbar zutage. Allen voran die Enttäuschung derjenigen, die sich als Globalisierungsverlierer sahen. 

Dem Multilateralismus ist das nicht dienlich. Vor allem der Handelskrieg zwischen China und den USA hat die World Trade Organisation (WTO) weiter geschwächt. Bilaterale Abkommen gewinnen an Bedeutung, Lieferketten werden neu geordnet und Handelspartner neu gewählt, die ein ähnliches Wertesystem besitzen. Der Schutz nationaler Sicherheit wird wieder häufiger als Grund für oder gegen eine Partnerschaft genannt. Den Export macht das meist komplexer, im Einkauf können die günstigsten Lieferanten wegfallen. Beschleunigt wurde dieser Trend durch Covid-19 und den Ukrainekrieg. Größere Autonomie und der sichere Zugriff auf kritische Güter wurden gegenüber kurzfristiger Kostenminimierung bei Beschaffung und Produktion priorisiert. Man erinnert sich an die Covid-Masken, doch geht es auch um strukturell wichtigere Produkte: Energie, Seltene Erden, Medikamente, Verteidigung, Hochtechnologie.

Globaler Warenhandel vs. US-Gebrauchsgüterpreise

Indexiert: 31.12.1990 = 100

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Quelle: Bloomberg Finance L.P., DWS Investment GmbH; Stand: 30.12.2022

Wie die Grafik zeigt, verlor die Globalisierung nach der Finanzmarktkrise 2008 an Dynamik. Deswegen ihr Ende (eine „Deglobalisierung“) auszurufen, halten wir für verkehrt. Wir sprechen lieber von einer diversifizierten (oder regionalisierten) Globalisierung, aus mehreren Gründen. Erstens sind die Vorteile globaler Arbeitsteilung und größerer Absatzmärkte für die Unternehmen zu zwingend. Zweitens ist keine Region selbstversorgend und somit in der Lage, auf globalen Handel zu verzichten. Drittens steigt der globale Austausch von Daten, Dienstleistungen und intellektuellem Eigentum[1]. Viertens berücksichtigt die Außenwirtschaftspolitik in Europa und den USA unserer Meinung nach zunehmend die Belange der Bevölkerung, was zu einer höheren Akzeptanz für globale Handelsabkommen führen könnte. Und fünftens dürfte die laufende Neuordnung der Lieferketten kurzfristig zwar die Kosten treiben. Längerfristig sind jedoch Vorteile (höhere Planungssicherheit etwa) denkbar, wenn man seine Handelspartner sorgfältiger ausgewählt hat. Überhaupt sollte man die Anpassungsfähigkeit der Unternehmen nicht unterschätzen (siehe den Umgang mit explodierenden Energiepreisen in Europa). Eines ändert sich jedoch nicht: Globalisierung bleibt zu komplex, um schnelle Schlüsse zu ziehen.

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1. Zwischen 2010 und 2019 ist der internationale Datenaustausch um 45 Prozent p.a. gestiegen und der Handel mit Dienstleistungen und intellektuellem Eigentum wuchs mit circa 5 Prozent (vs. Warenhandel mit drei Prozent). Quelle: MC Kinsey (2022), “Global flows: The ties that bind in an interconnected world”, November 2022.

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