- Bis jetzt haben die US-Aktienmärkte die politischen Ereignisse des Jahres gut verkraftet.
- Wir glauben nicht, dass dies viel mit veränderten Wahrscheinlichkeiten oder Hoffnungen zu tun hat, was einer der beiden Hauptkandidaten im Falle seiner Wahl tun könnte.
- Stattdessen spricht es wohl eher dafür, dass diese spezielle Wahl weniger folgenreich ist, als allgemein erwartet wurde.
- Nach einem hässlichen Wahlkampf sollten sich die Anleger auf Stillstand in Washington einstellen, wahrscheinlich ohne allzu große politische Veränderungen.
Auf der Zielgeraden eines nervenaufreibenden Wahlkampfes
Bereits 2016 wiesen wir auf zahlreiche Unsicherheiten in unserer Wahlbeobachtung jenes Jahres hin und staunten: "All dies klingt nach einem Rezept für Unsicherheit, die zu Marktunruhen führen könnte. Stattdessen handelt der S&P 500 nahe seines Allzeithochs!"
Nun, plus ça change.[1] Für Beobachter der US-Politik gab es den ganzen Sommer über viel Aufregendes, vom Rückzug Joe Bidens aus dem Rennen und dem raschen Aufstieg von Kamala Harris bis hin zur Wahl des Senators J.D. Vance aus Ohio zum republikanischen Vizepräsidentschaftskandidaten. Ganz zu schweigen von einem zweiten Attentatsversuch auf den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump und einem eher enttäuschenden Auftritt in der Debatte, neben einigen anderen Momenten, in denen sich sein Alter bemerkbar machte. Unterm Strich sind die qualitätsbereinigten Umfragedurchschnitte sowohl landesweit als auch in den Schlüsselstaaten sogar noch enger geworden sind, was vielleicht ein Hinweis auf Trumps Anziehungskraft auf Wähler ist, die gerade erst aufmerksam werden.
Es war nicht schwer, im Voraus zu erraten, dass diese Wahlsaison von genügend Wendungen geprägt sein würde, um erfahrene Beobachter bis zum Schluss in Atem zu halten. Bereits im Juni waren wir der Meinung, dass dies aus Sicht der Märkte Chancen bieten könnte, wenn die Märkte verunsichert sind und die politischen Risiken vorübergehend überbewertet werden. Es war einer dieser Fälle, in denen es vergleichsweise einfacher war, die Politik richtig einzuschätzen als die Marktreaktionen zu antizipieren.
Entgegen unserer Erwartungen haben die US-Aktienmärkte die bisherigen Irrungen und Wirrungen des Wahlkampfs gelassen hingenommen. Anders als viele Experten, einschließlich einiger Marktkommentatoren, glauben wir nicht, dass dies viel mit den veränderten Wahrscheinlichkeiten oder Hoffnungen auf das Verhalten der beiden Hauptkandidaten im Falle einer Wahl zu tun hat. Wir sind vielmehr der Meinung, dass dies damit zusammenhängt, dass diese Wahl am Ende weniger folgenreich bleiben dürft als allgemein erwartet, beispielsweise im Vergleich zur Ertragsdynamik auf Branchenebene. In Abschnitt 1 wird eine Reihe von plausiblen Szenarien skizziert. In Abschnitt 2 wird beschrieben, auf welche Überraschungen die Anleger in den Tagen, Wochen und Monaten nach der Wahl dennoch gefasst sein sollten - und welche im Hinblick auf die Aufmerksamkeit der Anleger ein wenig überbewertet erscheinen. Abschließend wird die Wahl in einen längerfristigen Kontext gestellt, indem untersucht wird, wie das Jahr 2024 den Wohlstand in den USA dennoch steigern könnte.
1 / Nach einem unschönen Wahlkampf: Stillstand
1.1 Knappe Mehrheiten in den Kongresskammern dürften die Umsetzung von Wahlversprechen erschweren
Wir sind nach wie vor der Meinung, dass es für Anleger sinnvoll ist, sich auf eine festgefahrene Situation in Washington und gespaltene Machtverhältnisse verschiedener Couleur zu konzentrieren. Diese sind wahrscheinlicher als verschiedene Randszenarien und verdienen daher größere Aufmerksamkeit. Am deutlichsten wird dies, wenn wir mit dem Kongress, insbesondere dem Repräsentantenhaus, beginnen.
Derzeit haben die Republikaner mit einer hauchdünnen Mehrheit die Kontrolle über die Kammer. Wie die meisten Handicapper gehen auch wir von einer weiteren knappen Teilung des Repräsentantenhauses aus, wobei die Demokraten die knappen Favoriten für die Mehrheit sind.[2] In den letzten drei Monaten lagen die Demokraten bei den qualitätsbereinigten Durchschnittswerten für generisches Kongresswahlverhalten (in denen nur die Parteien und nicht die jeweiligen lokalen Kandidaten abgefragt werden) durchweg vorn. Die Neueinteilung der Wahlbezirke nach der Volkszählung 2020 sowie die sich verändernden Wahlkoalitionen der beiden großen Parteien sollten nach diesen Umfragedurchschnitten dazu führen, dass die Demokraten im Repräsentantenhaus vorne liegen - vor allem, wenn Kamala Harris landesweit die Stimmenmehrheit erreicht.
Im Senat ist die Sache etwas komplizierter, und zwar nicht nur deshalb, weil der nächste Vizepräsident im Falle einer 50/50-Aufteilung die entscheidende Stimme abgeben würde. Da die Wahlkarte des Senats für die Demokraten sehr ungünstig aussieht, bräuchten die Demokraten einige überraschende Siege, um ihre Senatsmehrheit nicht zu verlieren. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass keine der beiden Parteien die Kontrolle über den Senat erlangt. Der unabhängige Kandidat Dan Osborn aus Nebraska, der die republikanische Amtsinhaberin Deb Fischer überraschend stark herausgefordert hat, hat zum Beispiel zugesagt, dass er im Falle seiner Wahl keiner der beiden Parteien angehören wird.[3]
Dennoch möchten wir darauf hinweisen, dass sich die Überraschungen im Senat in Bezug auf das nationale Bild relativ häufig gegenseitig aufheben. Große, unkorrelierte Umfrageausfälle auf der Ebene der Senatswahlen in den einzelnen Bundesstaaten sind in der Vergangenheit recht häufig vorgekommen. Sehr kandidaten- und bundesstaatsspezifische Faktoren können die Dynamik auch spät im Wahlzyklus noch verändern.[4]
Man sollte sich vor Augen halten, dass die Senatsmehrheit schon oft ihren eigenen Weg gegangen ist. Es gibt bereits Anzeichen für eine Wiederbelebung der Bereitschaft der Wähler, ihre Stimmen im Jahr 2024 wieder verstärkt aufzuteilen, indem sie für eine Seite im Senat stimmen, während sie den Kandidaten der anderen Partei für die Präsidentschaft und die Wahlen zum Repräsentantenhaus favorisieren.
1.2 Viele Szenarien rund um das, was wir als die "Patt in Washington" bezeichnet haben
Für die Zwecke der Szenarioplanung möchten wir jedoch darauf hinweisen, dass die Unterschiede in den politischen Ergebnissen für die Anleger nicht allzu groß sein müssen, es sei denn, die Umfrageprognosefehler sind so groß, dass es dann unerwartet doch für solide Mehrheiten einer Seite in beiden Kammern des Kongress reicht. Solange die Mehrheiten im Repräsentantenhaus und im Senat knapp sind, würden wir nicht erwarten, dass eine Präsidentschaft von Harris oder Trump in legislativer Hinsicht allzu große Auswirkungen haben dürfte.
Bereits im Juni haben wir diese als mittlere Instanzen innerhalb einer Wahrscheinlichkeitsverteilung beschrieben, die alle einigermaßen plausibel erscheinenden Ergebnisse erfassen, während die unwahrscheinlicheren Ergebnisse an beiden Extremen ignoriert werden. Neben einer "Patt in Washington", die aufgrund der geteilten Kontrolle über den Kongress und/oder die Präsidentschaft regelrechte Zweiparteienkompromisse erfordert, haben wir die beiden angrenzenden Szenarien als "Republikaner siegen überall knapp" beschrieben.
Stilisierter Wahrscheinlichkeitsbandbereich plausibler Ergebnisse
Quelle: DWS Investment GmbH, Stand: 24.10.24
Im ersten Szenario würden wir weiterhin davon ausgehen, dass ein Sieg der Demokraten relativ unbedeutend und auch nur von kurzer Dauer sein dürfte (was zum Verlust einer oder beider Kammern bei den Zwischenwahlen 2026 führen würde). Angesichts der noch größeren Abhängigkeit von zentristischen Abgeordneten und Senatoren sowie der bereits angespannten Staatsfinanzen würde eine Harris-Regierung wahrscheinlich Schwierigkeiten haben, so kostspielige Wahlversprechen wie die Ausweitung der Steuergutschrift für Kinder, die großzügigere Unterstützung für Erstkäufer von Wohneigentum und die Abschaffung der Steuern auf Trinkgelder zu finanzieren.
Das Gleiche gilt für einen republikanischen Wahlsieg, vor allem dann, wenn Trump nur durch die Unwägbarkeiten des Wahlkollegiums erneut gewinnen würde. Um Missverständnisse zu vermeiden: Eine weitere Präsidentschaft Trumps würde den Marktteilnehmern wahrscheinlich jede Menge alltägliche Dramen bescheren, aber das gesetzgeberische Vermächtnis würde wahrscheinlich nicht viel mehr als die Verlängerung der meisten der Trump'schen Steuersenkungen umfassen. Das liegt daran, dass bei einem knappen Trump Sieg die republikanischen Mehrheiten im Kongress hauch dünn und die Kongressdelegationen wohl gespalten wären. Das würde es schwierig machen würde, viel zu erreichen; einmal ganz abgesehen von möglichen feindseligen Markt- und Wählerreaktionen wenn einzelne Gesetze am Ende doch kurz vor der Verabschiedung stünden.[5]
Darüber hinaus stehen Steuersenkungen für wohlhabende Haushalte und große Unternehmen zunehmend im Widerspruch zu der neuen Koalition der Arbeiterklasse, auf die sich die Republikaner seit 2016 für ihre - relativ seltenen - Wahlsiege verlassen. Ohne eine schärfere Kehrtwende bei der Besteuerung der Reichen dürfte es nicht lange dauern bis andere, populistische Alternativen versuchen, diese Lücke im Angebot an die Wähler zu schließen. Und ein oder zwei Umstürze in diesem Zyklus, wie ein Sieg oder ein Beinahe-Sieg von Osborn in Nebraska, könnten durchaus ausreichen, um den Republikanern im Kongress diese Botschaft zu vermitteln.
Vor allem sollten sich die Anleger daran erinnern, dass Joe Bidens Fähigkeit, 2021 und 2022 trotz sehr knapper Mehrheiten wichtige Gesetze zu verabschieden, sehr ungewöhnlich war und wahrscheinlich zu einem großen Teil darauf zurückzuführen ist, dass er über viele Jahrzehnte hinweg Erfahrung im Kongress gesammelt hatte, wie man dort Kompromisse zusammenschustert. Weder Harris noch Trump (und auch nicht ihre Vizepräsidentschaftskandidaten, was den Senat betrifft) können auch nur annähernd so viel Vertrautheit in der Gesetzgebung vorweisen.[6] Da Trump 2028 nicht erneut kandidieren kann, wird eine weitere Trump-Regierung wahrscheinlich durch knappe Mehrheiten im Kongress und durch die Fragmentierung der Republikaner noch stärker eingeschränkt sein als von 2017 bis 2018.
Ganz zu schweigen von rechtlichen Grenzen in der Gestaltungsmacht. Sicherlich sind Zölle und andere Handelsmaßnahmen zunehmend zu einem parteiübergreifenden Anliegen geworden, insbesondere in Bezug auf China. Angesichts der Tatsache, dass der Kongress nach der US-Verfassung die Befugnis hat, die Zollpolitik festzulegen, sollten die direkten Auswirkungen einer weiteren Amtszeit Trumps auf den Handel jedoch nicht überbewertet werden.[7] Vor allem, wenn einige der negativen Folgen von Trumps Zollplänen eintreten sollten, die viele Wirtschaftswissenschaftler vorhersagen, würden sich vermutlich genügend Republikaner im Kongress zum Handeln gezwungen sehen.
1.3 Das Rennen um das Weiße Haus und die Marktauswirkungen plausibler Szenarien
Wie sieht es nun mit dem wichtigsten Ereignis des Jahres 2024 aus - dem Rennen um das Weiße Haus? Wir werden uns kurz fassen, nicht zuletzt, weil Sie wahrscheinlich schon mehr als genug Berichte über das Rennen gelesen haben. Für Investoren sind jedoch drei Punkte wichtig.
Erstens kann es bei Umfragen in den Swing States zu großen, nur teilweise korrelierten Fehlern kommen - und selbst was in einem bestimmten US-Präsidentschaftswahlkampf wirklich als der/die entscheidende(n) Staat(en) zählte(n), lässt sich nur im Nachhinein feststellen. Das Gleiche gilt für Schätzungen darüber, wie groß oder klein der Vorteil einer der beiden Seiten im Wahlkollegium sein könnte.[8]
Zweitens prägen die Ereignisse und die Realität, die sich in den ersten Monaten einer neuen Regierung entfalten, die Politik stärker als Wahlversprechen. Und drittens ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Umfragen in irgendeiner Form daneben liegen, dieses Mal ungewöhnlich groß, was auf einige methodisch fragwürdige Entscheidungen vieler Meinungsforscher zurückzuführen ist.[9]
All dies dürfte in den Tagen nach dem Wahltag zu einigermaßen sittsamen Marktreaktionen führen; oder möglicherweise in den Wochen oder Monaten, wenn es entweder im Senat oder im Repräsentantenhaus sehr eng wird (obwohl dies, wie wir im nächsten Abschnitt darlegen, für die Präsidentschaft weniger wahrscheinlich erscheint). Insbesondere an den Aktienmärkten könnte sich selbst bei einem Sieg der Republikaner die Sorge um die Handelspolitik und höhere Zinsen mit der Hoffnung auf Entlastungen und Steuersenkungen mischen. Einige Sektoren würden jedoch zweifellos von der Beseitigung der wahlbedingten Unsicherheit profitieren. Beispielsweise haben beide Seiten versprochen, die Ausgaben für Technologie und Innovationen zu erhöhen, während alles, was nicht zu einem überwältigenden Sieg der Demokraten führt, die Stimmung gegenüber Aktien aus dem Gesundheitswesen verbessern könnte.
Die wichtigste Ausnahme, die wir aus Sicht der Märkte hervorheben würden, wäre ein unerwarteter und entscheidender Sieg von Harris. Damit meinen wir, dass die Demokraten nicht nur das Repräsentantenhaus gewinnen, sondern auch den Senat halten könnten. Harris würde dann behaupten, dass sie und die Demokraten ein Mandat hätten, und schnell versuchen, ihre Agenda voranzutreiben. Man darf nicht vergessen, dass die Demokraten im Senat unter Führung des Mehrheitsführers Chuck Schumer (D-NY) seit Jahren damit drohen, weiter einzuschränken oder ganz abzuschaffen. Dieses parlamentarische Verfahren ermöglicht es einem oder mehreren Senatoren, die Abstimmung über viele Gesetzesvorschläge zu verzögern oder ganz zu verhindern, sofern keine Super-Mehrheit dafür zustande kommt (derzeit 60 von 100 Senatoren).
Eine Änderung dieser Regeln wäre im Prinzip mit einer einfachen Mehrheit möglich. Zwei Senatoren, die sich im derzeitigen Kongress vehement gegen eine solche Änderung ausgesprochen haben, scheiden aus, nämlich die von Demokraten zu Unabhängigen gewordenen Senatoren Joe Manchin aus West Virginia und Kyrsten Sinema aus Arizona. Ein dritter Senator, der zwar für eine Reform, nicht aber für die Abschaffung des Filibusters offen ist, ist Jon Tester aus Montana.[10]
Es ist sehr schwer vorstellbar, dass die Demokraten die Mehrheit im Senat halten, wenn Tester in Montana verliert. Allerdings könnte für die Märkte das bloße, aber ernsthafte Gerede über die Abschaffung des Filibusters nach den Wahlen ein Schock sein, da dies große, potenzielle Folgen von der Gesundheitspolitik bis zur Steuerpolitik hätte. Die genauen Auswirkungen in Form von tatsächlichen Gesetzesänderungen sind schwer abzuschätzen. Nehmen wir zum Beispiel die Kosten für verschreibungspflichtige Medikamente. Abgesehen von einem konkreten Versprechen, "die 35-Dollar-Obergrenze für Insulin und die 2.000-Dollar-Obergrenze für die Selbstbeteiligung auf alle Amerikaner, nicht nur auf Senioren, auszudehnen", werden auf der Harris-Wahlkampf-Website vage Pläne erwähnt, die Verhandlungen über verschreibungspflichtige Medikamente im Rahmen von Medicare zu beschleunigen und "den Wettbewerb zu erhöhen und Transparenz in der Gesundheitsbranche zu fordern".[11]
Bei den Steuern könnte sich der Druck auf einzelne republikanische Senatoren (unter einem neuen, weniger erfahrenen Minderheitenführer) als immens erweisen, bei den Unternehmenssteuersätzen oder der Besteuerung wohlhabender Haushalte Kompromisse einzugehen, vielleicht als Gegenleistung dafür, dass der Filibuster nominell überlebt. Und nach dem starken Lauf der US-Aktien dürfte eine Enttäuschung über die künftige US-Steuerpolitik schon ausreichen, um die Märkte zu verunsichern.
2 / Auch ein unerwartet schnelles Ergebnis möglich
2.1 Auf welche weiteren November-Überraschungen sich die Anleger einstellen sollten
Einer der Gründe, warum die Marktreaktionen auf sich abzeichnende politische Ereignisse oft schwer vorherzusagen sind, liegt natürlich darin, dass Menschen - einschließlich Experten und Marktteilnehmern - ziemlich schlecht darin sind, in Wahrscheinlichkeiten zu denken, vor allem, wenn das, was passieren wird, nur wenige unmittelbare Präzedenzfälle in der jüngsten Vergangenheit hat.[12]
Zum Beispiel die Vorstellung, dass, weil die Umfragen derzeit auf ein knappes Rennen hindeuten, das Endergebnis zwangsläufig genauso knapp ausfallen wird. Dies beruht auf umfragegesteuerten, probabilistischen Modellen, die während des gesamten Wahlkampfs eine nahezu 50:50-Wahrscheinlichkeitsverteilung für Harris und Trump gezeigt haben. Die gleiche Art von Simulationen, die (auf der Grundlage aktueller Umfragen) sehr knappe Siegwahrscheinlichkeiten ergeben, legen jedoch - zumindest, wenn sie richtig durchgeführt werden - auch nahe, dass sich dies nicht unbedingt in knappen Ergebnissen im Wahlkollegium niederschlagen wird. Wenn sich herausstellt, dass viele Umfragen in ähnliche Richtungen und Größenordnungen falsch lagen, entweder aufgrund der typischen Bewegungen in den Umfragen zwischen jetzt und dem Wahltag oder aufgrund von regional korrelierten Umfragefehlern am Wahltag, neigen dieselben Modelle dazu, eine Wahrscheinlichkeit von etwa 50 Prozent für einen Erdrutschsieg im Wahlkollegium zu implizieren.[13]
Für die Anleger bedeutet dies, dass sie sich darauf einstellen müssen, dass diese Wahl nicht unbedingt zu einer Zitterpartie wird. Wie auch immer man die zugrunde liegende Dynamik des Rennens einschätzt, stellen Sie sich darauf ein, dass die Ergebnisse entweder sehr schnell - oder sehr langsam - klar werden. Sollte sich die Berechnung des Wahlkollegiums auf nur einen oder zwei Swing States beschränken, könnte es zumindest ein paar Tage dauern, bis Klarheit herrscht, vor allem wenn Pennsylvania oder Wisconsin zu den knappen Staaten gehören, die sich als entscheidend erweisen.[14]
Im Gegensatz dazu tendieren einige der Ergebnisse, denen Experten und einige Investoren übermäßig viel Aufmerksamkeit schenken, dazu, äußerst bis sehr unwahrscheinlich zu sein. Damit zum Beispiel kein Kandidat 270 Wahlmännerstimmen erhält und sowohl Trump als auch Harris mit 269 Stimmen gleichauf liegen, sind einige ziemlich merkwürdige Kombinationen von Siegen auf Staatsebene erforderlich. Etwas weniger unwahrscheinlich, aber immer noch sehr unwahrscheinlich, sind Szenarien, in denen ein oder mehrere entscheidende Bundesstaaten so knapp sind, dass eine automatische Neuauszählung nach Landesrecht erforderlich ist (die in der Regel vorgeschrieben ist, wenn die Ergebnisse innerhalb von 0,5 Prozentpunkten liegen). Diese Art von Ergebnissen ist jedoch sehr viel wahrscheinlicher, wenn es um den Senat oder einzelne Wahlen zum Repräsentantenhaus geht. Die Anleger sollten sich also darauf einstellen, dass das Rennen um das Weiße Haus recht schnell entschieden sein wird, während die Kontrolle über den Kongress noch in der Schwebe ist.
3 / Conclusion
In dieser Analyse haben wir argumentiert, dass es für Anleger sinnvoll ist, sich auf Stillstand und geteilte Regierungen verschiedener Couleur zu konzentrieren. Wir haben erklärt, warum wir nicht erwarten, dass eine Harris- oder Trump-Präsidentschaft in Bezug auf die Gesetzgebung allzu bedeutsam sein würde. Wir haben aufgezeigt, wie Steuersenkungen für wohlhabende Haushalte und Unternehmen zunehmend im Widerspruch zu der neuen Arbeiterklasse-Koalition stehen, auf die sich die Republikaner für ihre - relativ seltenen - Wahlsiege verlassen haben, und erklärt, auf welche Überraschungen die Anleger im November vorbereitet sein sollten.
All dies veranlasst uns zu der Annahme, dass diese Wahl weniger folgenreich ist, als viele denken, zumindest auf kurze Sicht, gemessen in Monaten und Jahren. Langfristig scheint sie jedoch bereits ziemlich folgenreich zu sein, nicht zuletzt, um die US-Regierungsinstitutionen näher an alle Bürger zu bringen, indem zum Beispiel beide Seiten den Wählern und Orten, die in den letzten Jahrzehnten zurückgelassen wurden, mehr Aufmerksamkeit schenken.
In der vergangenen Woche beschloss die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften, den Preis der Sveriges Riksbank für Wirtschaftswissenschaften im Gedenken an Alfred Nobel 2024 an Daron Acemoglu, Simon Johnson und James Robinson zu verleihen. Alle drei zogen als Erwachsene in die USA und erhielten den Preis für ihre Arbeiten darüber, wie Institutionen gebildet werden und den Wohlstand zwischen Nationen beeinflussen. [15]
Inmitten von Befürchtungen und zunehmend apokalyptischen Warnungen von US-Parteigängern beider Seiten scheinen diese Forschungsergebnisse ein geeigneter Kontrapunkt zu sein, den Investoren in Betracht ziehen sollten.[16] Zum einen machen sie deutlich, dass Institutionen und institutionelle Vermächtnisse in der Regel recht beständig sind. Zum anderen ist eines der Kernargumente von Acemoglu, Johnson und Robinson seit langem, dass Institutionen, die Investitionen in Human- und Sachkapital fördern, integrativ sein müssen, d.h. den Wohlstand auf breiter Basis teilen, und nicht extraktiv (mit einer kleinen Gruppe von Insidern, die den Rest der Gesellschaft ausbeuten können).
So gesehen wird es vielleicht einfacher, die letzten acht Jahre der US-Politik und die bitteren Gräben, die wir zweifellos am Wahltag sehen werden, auch als Zeichen der institutionellen Erneuerung zu bewerten - vor allem wenn, wie wir durchaus erwarten würden, sie von einer weiteren Präsidentschaftswahl mit ungewöhnlich hoher Wahlbeteiligung begleitet werden.