12. Sept. 2024 Letter to Investors

Weiter optimistisch bei geringen Erwartungen

Da Europa und China nicht richtig in die Pötte kommen, hängt es wieder an Amerika und seinen Konsumenten, die Rally am Laufen zu halten. In unserem Kernszenario trauen wir ihnen das zu.

Björn Jesch

Björn Jesch

Global Chief Investment Officer

"Wir gehen insgesamt von einem guten Anlagejahr 2025 aus, da sich die Normalisierung von Wirtschafts- und Inflationstrends fortsetzt und die Zinssenkungen der Zentralbanken vielen Anlageklassen Rückenwind beschert. Ihre Bewertungen lassen allerdings wenig Platz für negative Überraschungen. Nicht zuletzt aufgrund der US-Präsidentenwahl sollte man allerdings damit rechnen, dass das Jahr nicht völlig normal ausfallen wird. Auch darauf stellen wir uns ein. "

Vincenzo Vedda, Chief Investment Officer

Es sind spannende Zeiten, in denen ich die Position des Chief Investment Officer der DWS, für die ich bereits seit 2013 arbeite, übernehmen darf. Und mit spannend – Sie kennen den Euphemismus – meine ich herausfordernd. Wir gehen dem Jahr 2025 als durchaus verwöhnte Anleger entgegen. Globale Aktien haben im laufenden Jahr über ein Fünftel zugelegt. Seit ihrem Tief im Herbst 2022 sogar fast zwei Fünftel. Gold und Silber sind 2024 um ein Viertel teurer geworden und bei Anleihen war man vor allem im Unternehmenssegment auch gut im Plus. Was soll da nächstes Jahr noch kommen? Zumal wir global mit keiner Belebung des Wirtschaftswachstums rechnen (2024, 2025 und 2026 jeweils 3,1 Prozent BIP-Wachstum). Und US-Aktien schon so hoch bewertet sind, dass ihre Risikoprämie[1] erstmals seit über 20 Jahren wieder negativ ist. Bei (US-)Anleihen wiederum wurde der Abwärtstrend der Renditen vor allem am längeren Ende bereits im September gebrochen und mit der Wiederwahl Donald Trumps vollends revidiert. Lassen Sie mich im Folgenden erklären, warum wir trotzdem ein gutes Anlagejahr erwarten.

Und mit spannend, sie kennen den Euphemismus, meine ich herausfordernd. Wir gehen dem Jahr 2025 als durchaus ver-wöhnte Anleger entgegen. Globale Aktien haben im laufenden Jahr über ein Fünftel zugelegt.

Der neue US-Präsident will kein „Weiter-so“ – das Unerwartete ist Programm

Zu den größten Herausforderungen für das kommende Jahr zählen wir sicherlich den Umgang mit dem neuen, alten Präsidenten der USA. Zwar haben vor allem die Aktienmärkte schon früh angefangen, seine Wiederwahl zu feiern. Dabei besteht wenig Zweifel daran, dass Trump nicht alle seine Vorhaben zur Gänze umsetzen wird können, zumal sie sich teils konterkarieren. Die Krise der hohen Lebenshaltungskosten in den Griff zu bekommen, also die Inflation schneller zu senken, dürfte sich etwa mit den Zöllen und dem Migrationsstopp nicht gut vereinbaren lassen, um nur ein Beispiel zu nennen. Überhaupt könnte seine unkonventionelle Amtsführung einige Wirtschaftsakteure verunsichern (vor allem ausländische) und in einigen Marktsegmenten die Volatilität erhöhen. Allerdings kann Volatilität – auch wenn sie bei den meisten Anlegern unerwünscht ist - sowohl Ausschläge ins Negative wie ins Positive beinhalten. Doch zunächst zu unserem Kernszenario.

Wirtschaftliches Kernszenario positiv – gute Grundlage für viele Anlageklassen  

Die positiven Aspekte für das Anlagejahr 2025 sind recht grundsätzlicher Natur: Insgesamt nähert sich die Weltwirtschaft weiter der Normalität an. Ob bei Wirtschaftswachstum, Inflation oder Zinsen. Das bedeutet insbesondere, dass wir in unserem Kernszenario nicht mit einer Rezession in einer größeren Volkswirtschaft rechnen, sondern mit – gleichmäßig moderatem – Wachstum. Für viele Anlageklassen ist das ein sehr gutes Umfeld. So schlittern Aktienmärkte außerhalb von ausgeprägten BIP-Wachstumseinbrüchen nur selten in eine Baisse. Getrieben werden sollten Aktien zudem weiterhin vor allem von steigenden Gewinnen, mit denen wir auf beiden Seiten des Atlantiks rechnen. Allerdings dürfte in den Staaten dieses Wachstum weiterhin stark von den großen Tech-Werten getrieben werden, deren Dominanz an den Börsen damit nicht schwindet. Auch um sich dem dadurch gegebenen Konzentrationsrisiko nicht voll auszusetzen, haben wir keine regionalen Präferenzen und sehen global im Schnitt hohe einstellige Renditen bis Ende 2025. Man sollte sich unserer Meinung nach aber rechtzeitig darauf einstellen, dass mit Aktien in den kommenden Jahren eher mit Gesamtrenditen im mittleren einstelligen Bereich zu rechnen ist. Nicht zuletzt aufgrund der aktuell hohen Bewertungsmultiplikatoren.

Bei Anleihen rechnen wir 2025 mit einer weiteren Versteilung der Renditekurve, da die Zinssenkungen der Zentralbanken ihre Spuren vor allem bei den 2-jährigen Anleiherenditen hinterlassen sollten. Per Ende 2025 sehen wir die Fed Funds bei 3,75-4,00 Prozent und den EZB-Einlagenzins bei 2,0 Prozent. Unternehmensanleihen bleiben 2025 aufgrund ihrer hohen laufenden Verzinsung und insgesamt robusten Wirtschaft attraktiv. Mit einer weiteren Einengung der Risikoprämien rechnen wir allerdings nicht. Risikobereinigt ziehen wir Anleihen mit Investmentgradestatus jenen ohne vor.

Das Alternative Anlagesegment genießt zwar aufgrund der recht stabilen Zinsen am langen Ende wenig geldpolitischen Rückenwind, allerdings verbessern sich vielerorts die fundamentalen Rahmenbedingungen, etwa bei Wohnimmobilien.

Gold trauen wir im kommenden Jahr zwar keine Rally wie 2024 mehr zu, doch immer noch ein ordentliches Plus. Ohnehin glauben wir, dass das Edelmetall gerade 2025 als Absicherung für Anlageportfolios dienen kann. Warum? Nun, auch wenn wir für 2025 in unserem Kernszenario positiv gestimmt sind, ist dieser Kern diesmal recht klein. Wir halten eine breite Spanne von Entwicklungen für möglich. Abhängig von der weiteren Entwicklung geopolitischer Krisenherde (Ukraine, Mittlerer Osten, Taiwan potentiell); der Geduld der Anleihemärkte angesichts der ungebremsten US-Schuldensause; dem Ausmaß der weiteren KI-Investitionseuphorie und natürlich den Entscheidungen, den die vermutlich unkonventionelle nächste US-Regierung einschlagen wird. Gleichzeitig kann man nicht ausschließen, dass aus den USA initiierte Veränderungen zu neuer Dynamik bei einigen festgefahrenen Problemen führen könnte. Eine breite Aufstellung über verschiedene Anlageklassen, -stile und -fristen sollte dabei helfen, die Auswirkungen von Einzelrisiken geringer zu halten.

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1. Gerechnet als Aktien-Gewinnrendite (laufender Gewinn je Aktie geteilt durch Aktienkurs) abzüglich der Rendite 10-jähriger Staatsanleihen.

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