20. Mrz 2024 Letter to Investors

KI muss es richten

Kein Wirtschaftseinbruch, rückläufige Inflation und erste Zinssenkungen. Kein schlechtes Umfeld für Kapitalanlagen, insbesondere Anleihen. Bei Aktien muss KI liefern.

Björn Jesch

Björn Jesch

Global Chief Investment Officer

"Die restriktive Geldpolitik hat weitgehend geliefert, was sie sollte: Inflation reduzieren. Wir rechnen daher mit ersten Zinssenkungen in diesem Jahr. Das heißt aber nicht, dass der weitere Zinspfad vorgeben ist. Dafür bleiben Wachstum und Inflation zu volatil.      "

Björn Jesch, Global Chief Investment Officer

Wenn die Börsen in den USA, Europa, Japan und Indien auf Rekordhöhen notieren, dann kann es mit der Wirtschaft ja wohl nicht so schlecht bestellt sein. Wobei man sich ja fragen kann, inwieweit nur das Sein – die Wirtschaft - das Bewusstsein – die Börsen - bestimmt oder nicht auch umgekehrt, die Börsen die Wirtschaft beeinflussen können. Das dürfte von Land zu Land verschieden sein, doch in den USA etwa, wo Privathaushalte überdurchschnittlich in Aktien investiert sind, spielt das sicherlich eine Rolle. Gerade jetzt etwa kommt der positive Vermögenseffekt durch steigende Aktienkurse gerade recht, um die Kauflaune der Konsumenten nicht abzuwürgen, nachdem die Ersparnisse aus der Covid-Zeit aufgebraucht wurden.

 

Nach dem schnellsten Zinserhöhungszyklus seit vielen Jahrzehnten ist die Mission fast erfüllt.

Doch der Reihe nach. Der Formulierung der neuen 12-Monats-Prognosen der DWS gingen diesmal besonders lebhafte Diskussionen voraus. Grundlage der Festlegung der Renditeziele ist ein insgesamt gutes makroökonomisches Umfeld. Vor dem Hintergrund des schnellsten und stärksten Zinserhöhungszyklus seit vielen Jahrzehnten kann man heute anerkennend feststellen: Mission beinah erfüllt. Die Inflationszahlen kommen runter (wir erwarten 2,8 bzw. 2,5 Prozent für die USA und die Eurozone im Schnitt 2024), ohne dass das Wirtschaftswachstum komplett in die Knie geht (unsere Erwartung: 1,8 bzw. 0,7 Prozent). Und abgesehen von einigen US-Regionalbanken hielten sich die finanziellen Kollateralschäden der Zinserhöhungen bisher im Rahmen.

Gleichzeitig liegen genau hier die Sorgen: könnte da nicht doch noch was kommen, gerade in den USA? Sind die höheren Zinsen schon in alle relevanten Teile der Wirtschaft durchgeschlagen? Zeigen die Frühindikatoren nicht weiter eine Abschwächung an (auch wir erwarten eine Verlangsamung des US-Wachstums 2025 auf 1,6 Prozent)? Und grundsätzlicher: Wann werden die USA die Rechnung für ihre Rekorddefizite begleichen müssen (Haushaltsdefizit i.H.v. 6,2 Prozent vom BIP jeweils für 2024 und 2025 geschätzt, nach 6,5 Prozent 2023), welche größtenteils das Ausland finanziert (das Handelsdefizit betrug 2023 über drei Prozent)? Zudem besteht die Gefahr, dass Amerikas expansive Fiskalpolitik in einer zweiten Inflationswelle münden könnte.

Eine Möglichkeit, optimistisch zu bleiben, liegt im Produktivitätswachstum. Welches idealerweise von der KI-Welle (Künstliche Intelligenz) getrieben werden könnte. Sie könnte damit auch für höhere Margen und geringeren Inflationsdruck sorgen. Ehrlicherweise ist das gesamtwirtschaftlich gesehen noch Zukunftsmusik. Doch die Börse lieben Zukunftsmusik, und die wird derzeit vor allem bei den sogenannten „Magnificent 7“ gespielt, einer Gruppe technologielastiger US-Börsenschwergewichte, die teils auch vom Investitionsboom in KI-Technologie bereits profitiert. Für den Gesamtmarkt sehen wir jedoch dieses Jahr eher ein maues Gewinnwachstum, mit leichter Beschleunigung im nächsten Jahr. Der Grund, warum wir dennoch die Aktienkursziele um rund zehn Prozent hoch nehmen konnten liegt in der reduzierten Risikoprämie für Aktien, in erster Linie für die USA. Aus folgenden drei Gründen: 1. gesunkene Rezessionswahrscheinlichkeit in den USA. 2. Weniger Abhängigkeit vom Zyklus durch den hohen IT-Anteil, und 3. die implizite Option auf das KI-Potenzial. Wir bevorzugen in diesem Zusammenhang die Sektoren Telekommunikationsdienstleistungen und zyklischer Konsum. Regional sehen wir Aufholpotenzial in Europa, insbesondere bei Banken. Auch wenn wir Japan und Indien positiv sehen, leidet die gesamte Region Asien immer noch unter China, wo ein rückläufiges Wirtschaftswachstum auf ein schwieriges Kapitalmarktumfeld stößt.  

Auch wenn Anleihen im Vergleich zu Aktien als weniger schwankungsanfällig gelten, gab es auch hier zuletzt viel Dynamik: Innerhalb von nicht einmal sechs Monaten korrigierte der Markt seine impliziten Prognosen für die Fed Funds für Juni 2024 zunächst von einer Senkung um 16 Basispunkte (BP) auf über 75 BPs, um sie anschließend wieder zurück auf rund 15 BPs[1] zu drücken. Angesichts einer nur langsam unter vier Prozent fallenden Kerninflationsrate gehen wir bis März 2025 von drei Zinskürzungen in den USA aus, für Europa rechnen wir mit vier Zinsschritten. Für Anleihen bedeutet das insgesamt ein recht positives Umfeld. Bei Staatsanleihen bevorzugen wir dabei das kurze Ende, bei Unternehmensanleihen ziehen wir in den USA und Europa risikoadjustiert Anleihen mit Investmentgrade jenen aus dem Hochzinssegment vor. Ansonsten sehen wir gute Ertragschancen bei Anleihen aus Asien.

Im Bereich der alternativen Anlagen sind wir weiterhin positiv auf Gold gestimmt, das von einem sich stabilisierenden Zinsumfeld und weiter hohen Käufen der Zentralbanken und asiatischer Privatkäufer profitiert. Für Immobilien denken wir, könnte 2024 ein wirklich interessantes Einstiegsjahr sein. Der Preisverfall dürfte weitgehend ausgestanden sein. Es könnte zwar zunächst eine längere Bodenbildung bevorstehen, doch auf mittlere Sicht spricht die robuste Nachfrage und vor allem die zuletzt sehr schwache Angebotsseite für steigende Preise. Logistik und Wohnen bleiben unsere Favoriten. Auch Infrastruktur sollte davon profitieren, dass mit höheren Anleiherenditen erstmal nicht gerechnet wird und die Preisanpassungen größtenteils stattgefunden haben dürften. Unsere Favoriten sind ausgesuchte Projekte aus den Segmenten grüne Energie, Digitalisierung und Transport.

Zusammenfassend würden wir betonen, dass die von den Zentralbanken gewünschte Normalisierung der Inflationsraten - allerdings zum Preis einer schwächeren Wirtschaftsaktivität - Erfolge zeigt. Die derzeitige Euphorie der Aktienmärkte sollte aber ihre Grenzen in den insgesamt überschaubaren Wirtschaftswachstumsaussichten der nächsten zwei Jahre finden, insbesondere, da die Unternehmen in diesen leichten Aufschwung mit bereits sehr hohen Gewinnmargen gehen. Doch wie allein die vergangenen sechs Monate gezeigt haben, bleiben Aktien das beste Vehikel, um an technologischen Innovationen teil zu haben. Gleichzeitig bieten aber auch Anleihen eine sehr auskömmliche Rendite dieser Tage, ebenso wie ausgesuchte Alternative Anlagen, so dass Anleger auf jeden Fall eine gute Wahl haben.

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1. Bloomberg Finance L.P.; Stand 19.03.2024

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