27. März 2023 Macro Outlook

Europas Banken und US-Immobilien

Eine heikle Beziehung, die die Märkte erneut in Frage stellen.

  • Die erneuten Turbulenzen bei europäischen Bankaktien am Freitag, die manche auf Bedenken bezüglich ihrer Beteiligung in US-Gewerbeimmobilien zurückführen, zeigen, dass Anleger selbst nach der Rettung Credit Suisse skeptisch gegenüber europäischen Banken sind.
  • Wir geben hier einen kurzen Überblick über das Engagement europäischer und amerikanischer Banken im US-Gewerbeimmobiliensektor.
  • Historisch gesehen, verursacht vor allem das erste Jahr eines Zinserhöhungszyklus große Turbulenzen. Bislang scheinen die Zentralbanken sich davon von ihrem Kampf gegen die Inflation ablenken zu lassen.

Große Verluste für Europas Banken am Freitag, US-Banken bleiben stabil

Am Freitag kam es zu Verkäufen europäischer Bankaktien im großen Stil. Der Stoxx Europe 600 Banks verlor zwischenzeitlich 5,7 Prozent und beendete den Handelstag mit einem Minus von 3,8 Prozent. Die Aktien der Deutschen Bank (DB) fielen im Laufe des Tages um fast 15 Prozent und beendeten den Tag mit einem Verlust von 8,5 Prozent bei 8,54 EUR, was immer noch über ihrem Tiefststand von 2022 liegt. Der Ausverkauf wurde unter anderem mit dem Engagement der DB auf dem US-amerikanischen Markt für Gewerbeimmobilien erklärt. Gemäß der Berichterstattung für das vierte Quartal 2022 sind sieben Prozent des Kreditbuchs der DB (489 Mrd. Euro) in gewerblichen Immobilien investiert, davon 51 Prozent in den USA, so dass sich das Gesamtengagement in gewerblichen Immobilien in den USA auf 17 Mrd. Euro beläuft. Die Bilanzsumme der DB beträgt 1,3 Billionen Euro. Wenn neue Sorgen über dieses Engagement der Grund für den Ausverkauf waren, stellt sich wiederum die Frage, warum diese sich nicht auf die USA übertragen haben. Dort machen Gewerbeimmobilien einen größeren Anteil an der Bilanzsumme der Banken, insbesondere der regionalen Banken aus.  Der KBW-Bankenindex legte sogar um 0,4 Prozent zu, was gegen Tagesende auch die Sorgen der Europäer etwas zerstreute. Andererseits hat der KBW-Bankenindex in diesem Jahr bereits 22,2 Prozent verloren, während der Stoxx 600 Banks nur ein Prozent eingebüßt hat. So gesehen sind die europäischen Banken noch weit davon entfernt, mit ihren amerikanischen Konkurrenten gleichzuziehen. Die Befürchtung, dass die Probleme im Bankensektor das Wirtschaftswachstum belasten könnten, haben die Renditen 10-jähriger Staatsanleihen am Freitag auf 3,38 Prozent und damit auf den niedrigsten Stand in diesem Jahr gedrückt.

CRE macht 14 % des gesamten Bankvermögens aus

Europas Banken und US-Gewerbeimmobilien

Europäische Banken profitierten im Gegensatz zu US-Banken bisher von den gestiegenen Zinssätzen, aus folgenden Gründen: 1. Die Kombination aus sinkenden Einlagen (seit April 2022 wurden 600 Mrd. USD an Einlagen dem US-Bankensystem entzogen, der bei weitem größte Betrag in der Geschichte[1]) und aggressiven Zinserhöhungen in den USA übte auf US-Banken Druck aus, Einlagenzinsen zu erhöhen; 2. Insgesamt gingen US-Banken im Vergleich zu europäischen Banken ein höheres Zinsrisiko ein, welches kurzfristig in den Bilanzen abgeschrieben werden muss[2] und sich leicht auf den Markt übertragen lässt. Europas Banken sind niedriger in Gewerbeimmobilien exponiert als US-Banken: ihre 6 Prozent vergleichen sich mit rund 36 Prozent für US-Regionalbanken und 16 Prozent für große US-Banken.

Wir sind weiterhin der Ansicht, dass die Kapitalausstattung europäischer Banken solide ist, denn sie ist so hoch wie seit einigen Jahrzehnten nicht mehr; sie erwirtschaften höhere Renditen und verfügen über liquidere Bilanzen. Außerdem erwarten wir, dass Europas Banken Dividenden ausschütten werden und somit gute Renditen bieten, und dass einige Banken in den kommenden Monaten ihre Aktienrückkaufprogramme wieder aufnehmen werden. Im Gegensatz zum US-Bankensystem sehen wir auch keine großen Bewegungen bei den Einlagen. Die Kreditkonditionen sollten zwar schwieriger werden, gleichzeitig denken wir aber, dass europäische Banken in einer starken Position sind, mit den aufkommenden Herausforderungen umzugehen.

Es ist immer schwierig vorherzusagen, welche Unternehmen und Sektoren nach 15 Jahren lockerer Geldpolitik welche Fehlbewertungen in welchen Vermögenswerten aufgebaut haben.  Doch zumindest auf dem Papier scheint das Risiko, das von Gewerbeimmobilien für das US-Bankensystem ausgeht, gering zu sein. Gewerbeimmobilien haben einen Anteil von 14 Prozent am Gesamtvermögen der Banken. Davon sind 3-4 Prozent Bürogebäude. Der Anteil von Wertpapieren, die die Silicon Valley Bank in Schieflage brachten, liegt dagegen bei 27 Prozent. Die Stress-Tests der US-Notenbank (Fed), die im Juni 2022 durchgeführt wurden, ergaben, dass alle großen Banken einen wirtschaftlichen Einbruch ähnlich der Finanzkrise 2007/08, in dem die Arbeitslosigkeit auf zehn Prozentsteigt und die Gewerbeimmobilienpreise im Schnitt um 40 Prozent (im Durchschnitt) fallen, sicher überstehen könnten. Große Banken machen 65 Prozent aller Vermögenswerte von US-Banken aus.

Das Risiko, dass sich Probleme der Regionalbanken auf Gewerbeimmobilien auswirken, ist hingegen höher. Gewerbeimmobilien werden in den USA etwa zur Hälfte durch Bankkredite finanziert.  Kleine- und Regionalbanken halten dabei einen überproportional großen Anteil der Gewerbeimmobilienkredite: 70 Prozent (gegenüber ihrem 35 Prozent-Anteil an den US-Bank-Vermögenswerten). Kleine und Regionalbanken haben also ungefähr einen Anteil in Höhe von 35 Prozent an der gesamten Kreditvergabe für Gewerbeimmobilien. Das Ausmaß der Ansteckung auf kleine und Regionalbanken ist allerdings weiterhin unklar. Ihre Einlagen fluktuieren grundsätzlich weniger als bei den Großbanken und ein höherer Anteil ist durch den Einlagensicherungsfonds der USA (Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC)) versichert.  

Gewerbeimmobilienpreise könnten kurzfristig unter rückläufiger Kreditvergabe der Regionalbanken leiden. Mittelfristig dürfte die Finanzierungslücke aber über andere Kanäle wieder geschlossen werden, z.B. durch alternative Kreditgeber. Die Beeinträchtigung der Kreditvergabe und die dadurch gegebenenfalls geringere Bautätigkeit könnte hingegen für Immobilienhalter für eine bessere Ausgangsbasis in den Jahren 2024/2025 sorgen. Eine deutliche Verschärfung der Kreditkonditionen würde sich qualitätsabhängig auswirken und damit disproportional die Kreditvergabe mit höherem Risiko in kleineren Märkten beeinträchtigen. Zur Erinnerung: US-Gewerbeimmobilien teilen sich auf in 40 Prozent Industrie (Logistik), 30 Prozent Wohnimmobilien (Mehrfamilienhäuser), 20 Prozent Büroimmobilien und 10 Prozent Einzelhandelsimmobilien.

Wie geht es jetzt weiter?

Zu Beginn der dritten Woche der Marktturbulenzen sollte man wohl nicht mehr davon ausgehen, dass es sich nur um einen Sturm im Wasserglas handeln könnte. Insbesondere wenn man sieht, welche Ausmaße die Einlagenabflüsse die US-Banken jetzt kompensieren müssen. Im Moment zögern wir, das Ende der Krise auszurufen. Die US-Regionalbanken scheinen mit einem Rentabilitätsproblem größeren Ausmaßes konfrontiert zu sein, sie verlieren Einlagen, und einige Kommentatoren ziehen bereits Vergleiche zur "Savings & Loan"-Krise der 1980er Jahre. Damals scheiterten mehr als 1.000 Institute, verursacht durch Verluste bei Immobilien- und Geschäftskrediten. "Es muss Klarheit über die Situation der Einlagen herrschen", forderte der ehemalige Finanzminister Larry Summers die derzeitige Finanzministerin Janet Yellen auf.

Viele Anleger glauben, dass die Zentralbanken nun zwischen der Inflationsbekämpfung und der Sicherung der Finanzstabilität wählen müssen. Das glauben wir nicht. Sowohl die Europäische Zentralbank (EZB) als auch die US-Notenbank haben in ihren Stellungnahmen deutlich gemacht, dass die Bekämpfung der Inflation weiterhin oberste Priorität hat, auch wenn dies zu einer gewissen Belastung des Banksystems führt. Dies dürfte letztlich dazu beitragen, die finanziellen Bedingungen zu straffen und damit die Wirtschaftstätigkeit zu drosseln. Sollte dies zu einer größeren Rezession führen, als die Zentralbanken zu akzeptieren bereit sind, könnten sie geneigt sein, ihren geplanten Zinspfad zu überdenken. Man sollte jedoch nicht erwarten, dass die Zentralbanker sich in dieser Hinsicht im Voraus festlegen, da das die Straffung der finanziellen Bedingungen gefährden könnte. Stellen Sie sich als Anschauungsbeispiel die Führungsspitze eines Fußballvereins vor, der kurz vor der Entlassung seines Cheftrainers steht. Sie würde niemals irgendwelche Andeutungen in Richtung Entlassung machen oder den Trainer öffentlich anzweifeln. Bis zu dem Tag, an dem er entlassen wird[3].

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1. Quelle: Federal Reserve. Größte Rückläufe bisher ungefähr 50 Mrd. US-Dollar

2. ogenanntes mark-to-market im Gegensatz zum Halten der Finanzanlagen bis zur Fälligkeit (held to maturity)

3. Der FC Bayern lieferte erst jüngst dafür ein eindrückliches Beispiel

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