30. Jun 2023 Makro

So weit, so gut

Die griechische Wirtschaft, einst von einer verheerenden Schuldenkrise geplagt, hat eine bemerkenswerte Transformation erlebt.

Letztendlich war es nicht einmal besonders knapp. Bei den nationalen Wahlen am vergangenen Sonntag ging die regierende Mitte-Rechts-Partei Néa Dimokratía mit 40,5 Prozent der Stimmen als Sieger hervor. Das lag nur knapp unter dem Wahlergebnis vom 21. Mai, als sie die absolute Mehrheit verfehlte.[1] Das ergibt eine angenehme Mehrheit mit 158 von 300 Sitzen für die amtierende Regierung.[2] Im Gegensatz zur Wahl im Mai galt für diese Wahlen das Mehrheitsbonus-System des Landes. Dadurch erhält die größte Partei zusätzliche Sitze, wodurch erhöhte Regierungsstabilität gewährleistet werden soll.

Kyriakos Mitsotakis, der seit 2019 Ministerpräsident ist, wird erneut ohne Koalitionspartner regieren können. Die kurzfristigen Aussichten für das Wirtschaftswachstum sehen zumindest nach europäischen Maßstäben gesund aus.[3] Dennoch bleiben viele Herausforderungen bestehen. In unserem Chart of the Week wird einer der Problembereiche hervorgehoben. Er zeigt, wie Griechenlands Leistungsbilanz in den letzten Jahren deutlich ins Defizit geraten ist. Ehrlicherweise muss man aber berücksichtigen, dass ein Großteil der Verschlechterung durch gestiegene Kosten bei Importen fossiler Brennstoffe verursacht wurde. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass auch Importe von chemischen Produkten sowie Investitionsgütern zugenommen haben.

Leistungsbilanzdefizit und Handelsbilanz in Griechenland: eine wirtschaftliche Odyssee

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Quellen: Haver Analytics Inc, DWS Investment GmbH: 27.06.2023

Letzteres steht zumindest im Einklang mit der steigenden Attraktivität Griechenlands für ausländische Direktinvestitionen. Die Wirtschaftslandschaft Griechenlands, einst von einer verheerenden Schuldenkrise geprägt, hat eine bemerkenswerte Transformation erlebt. Die Zeiten der Sparmaßnahmen sind vorbei. Stattdessen wurden Steuern gesenkt und die Steuerehrlichkeit verbessert. Die Pandemie hat die Digitalisierung vorangetrieben, obwohl andere Teile der Infrastruktur des Landes marode sind, wie mehrere spektakuläre Katastrophen gezeigt haben.

Die Bewältigung des Leistungsbilanzdefizits ist entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung Griechenlands, nicht zuletzt, da Portfolioinvestitionen sehr volatil sein können. "Kurzfristig versprechen die Buchungszahlen im Tourismussektor eine erfolgreiche Urlaubssaison, womit sich das Leistungsbilanzdefizit zumindest nicht noch weiter verschlimmern sollten.“, erklärt Ulrike Kastens, Senior Economist der DWS.

Griechenland muss es schaffen, seine Exportbasis über traditionelle Sektoren wie Tourismus und Landwirtschaft hinaus auszuweiten. Investitionen in Innovationen und die Stärkung von Ausbildungsprogrammen, sowie eine engere Zusammenarbeit zwischen Universitäten und dem privaten Sektor wären hilfreich, um das langfristige Wachstumspotenzial zu steigern.[4]

Der Abbau von Bürokratie und die Schaffung eines unternehmerfreundlichen Umfelds wären allesamt weitere geeignete Kapitel der Erfolgsgeschichte, zu der sich Griechenland in den letzten Jahren entwickelte.[5] Mitsotakis ist politisch gestärkt hervorgegangen und scheint es kaum erwarten zu können, bei Reformen ernst zu machen. Als großer Verlierer der Wahlen erwies sich die linksgerichtete Syriza-Partei, die – zumindest vorerst – von Ex-Premierminister Alexis Tsipras geführt wird. Dennoch haben jahrelange wirtschaftliche Missstände viele Griechen desillusioniert und skeptisch gegenüber Reformbemühungen gemacht, wie das überraschend starke Abschneiden einer neuen rechtsextremen Randpartei zeigte. Für politische Nachhaltigkeit müssen Transparenz, Inklusivität und Fairness den Reformprozess bestimmen und dadurch das Vertrauen nicht nur ausländischer Investoren wiederherstellen.

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