- Der S&P 500 hat erneut aufgrund zyklischer Risiken korrigiert, aber wie sieht es längerfristig aus?
- Wir haben uns die Investitionsausgaben näher angeschaut, da sie gut anzeigen, wie sehr die Sektoren selbst an ihre Zukunft glauben.
- Wenig überraschend bleiben Forschungs- und Entwicklungsausgaben bei Technologie- und Pharmafirmen im sektoralen Vergleich überdurchschnittlich hoch.
- Aber selbst die Anlageinvestitionen verlagern sich weg von Rohstoffsektoren hin zu Technologie, Telekommunikation und zyklischen Konsum.
- Bei mauen Konjunkturaussichten laufen Wachstumswerte meist besser. Wir bevorzugen Sektoren mit hohen F&E Aufwendungen.
Der S&P korrigiert erneut aufgrund zyklischer Risiken, aber wie sieht es mit den langfristigen Aussichten aus?
Die Sommerstärke an den Aktienmärkten hat sich im Nachhinein als Bärenmarktrally entpuppt, der S&P 500 hat von seinem Hoch Mitte August bei 4305 Punkten rund zehn Prozent wieder abgegeben, der Nasdaq sogar 13 Prozent[1]. Damit hat der technologie- und wachstumslastige Index seine schlechtere Entwicklung gegenüber dem tendenziell substanzlastigen Russel 2000 fortgesetzt. Angesichts der sich verschlechternden Bedingungen sowohl für die Unternehmensumsätze als auch die Gewinnmargen, die voraussichtlich bis ins nächste Jahr hinein anhalten werden, hatten wir im Sommer vor dem Risiko einer solchen Entwicklung gewarnt, die nach der Rede des Fed-Vorsitzenden Jerome Powell in Jackson Hole an Fahrt gewann. Er ließ keinen Raum für Fehlinterpretationen seiner Botschaft, dass die Zinserhöhungen fortgesetzt würden und die Zinsen auch dann noch nicht unmittelbar gesenkt würden, wenn sich die Wirtschaftsaktivität spürbar eintrüben würde. Bereits jetzt verschlechtern sich die Wirtschaftszahlen weiter, der U.S. Dollar wird immer stärker und der Ölpreis sinkt, was unserer Einschätzung nach zusammen mit steigenden Lohn-, Steuer- und Regulierungskosten sowie dem anhaltenden Druck auf die Inputkosten kein gutes Vorzeichen für die Gewinne darstellt. Wir sehen für den S&P 500 3700-4100 Punkte als wahrscheinliche Spanne für das zweite Halbjahr 2022, mit einer Tendenz für das untere Ende bis zu den Kongress-Zwischenwahlen im Herbst. Doch hier geht es um die Frage, welche Branchen mit ihren Investitionsausgaben (Capex) Wachstumsaussichten über die Rezession hinaus signalisieren?
Nach dem Covid-Boom haben Wachstumswerte etwas zu kämpfen
Quellen: Bloomberg Finance L.P., DWS Investment GmbH; Stand: 09.09.2022
Investitionsausgaben verlagern sich von Rohstoffsektoren hin zu Technologie, Telekommunikation und zyklischen Konsum
Nach dem Investitionseinbruch während der Pandemie erholten sich die Investitionen der S&P Firmen mit einem Wachstum von 18 Prozent im Jahresvergleich auf der Basis der letzten vier Quartale bis zum zweiten Quartal 2022. Allerdings verlagerten sich die großen Investitionsausgaben von den Rohstoffproduzenten und anderen Schwerindustrien hin zu den digitalen/virtuellen/elektronischen Branchen.
Trotz des Anstiegs der Ölpreise dieses Jahr auf über 100 Dollar je Fass, dem höchsten Stand seit zehn Jahren, entfällt nur noch ein Drittel der S&P-Investitionen auf die Bereiche Energie, Grundstoffe, Industrie und Versorger, gegenüber fast zwei Dritteln im Jahr 2012 und auch 2006. Der Anteil der Investitionen aus den Bereichen Technologie, Kommunikation und zyklischer Konsum an den Gesamtinvestitionen des S&P 500 hat sich von 25 auf 50 Prozent verdoppelt. Obwohl die Investitionen von einem sehr niedrigen Niveau aus wieder gestiegen sind, liegen Energie und Industrie immer noch 40 bzw. 15 Prozent unter dem Niveau von vor der Pandemie 2019. Die Investitionen im Rohstoffsektor haben gerade wieder das Niveau von vor der Pandemie erreicht.
Im Gegensatz dazu liegen die Investitionen in den Bereichen zyklische Konsumgüter (angeführt vom Internet-Einzelhandel und der Automobilindustrie), Technologie und Kommunikation um 48, 36 und 24 Prozent über dem Niveau von 2019. Diese Branchen planen für die Zukunft mit Wachstumsinvestitionen, die 100-150 Prozent ihrer Abschreibungen (auf materielle und immaterielle Vermögegengegenstände) ausmachen. Außerhalb dieser Sektoren zeichnen sich derzeit noch die Versorger als kräftige Investoren aus, die doppelt so viel investieren, wie sie abschreiben, da sie sich auf eine weiter elektrifizierte Zukunft vorbereiten.
Mit Investitionen in Höhe von etwa 80 Prozent der Abschreibungen signalisiert der Energiesektor trübe langfristige Aussichten, was darauf hindeutet, dass Bohrlöcher und nachgelagerte Anlagen nicht instandgehalten werden, vor allem wenn man die stark erhöhten Kosten für den Bau/die Instandsetzung solcher Anlagen im Vergleich zur buchwertbasierten Abschreibungshöhe berücksichtigt. Wir haben den Eindruck, dass der Energiesektor seinen Untergang plant und seine Vermögenswerte ausschlachtet. Dies und die hohen Ölpreise sorgen für einen großartigen freien Cashflow, aber wie lange wird dieser anhalten?
Forschung und Entwicklung verdrängt klassische Anlageinvestitionen
Forschung und Entwicklung (F&E) ist eine Form von Investitionsausgaben, die oft eine hohe Kapitalrendite aufweist, aber regelmäßig direkt in der Gewinn- und Verlustrechnung verrechnet wird und nicht im Cash-Flow und der Bilanz auftauchen. Technologie und Gesundheitswesen sind nach wie vor Spitzenreiter bei den F&E-Ausgaben mit einer F&E-Quote (vom Umsatz) in Höhe von 10 Prozent und mehr. Ein großer Teil dieser F&E ist erforderlich, um die Führungsposition zu halten, aber sie erhöht auch die Eintrittsbarrieren für potentielle Wettbewerber und treibt das Wachstum an, wie die Großen der Technologiebranche seit vielen Jahren beweisen. In Anbetracht der sehr unterschiedlichen F&E- und Capex/Abschreibungs-Verhältnisse der einzelnen Sektoren ist es unserer Meinung nach wichtig, bei der Verwendung von auf dem freien Cashflow basierenden Bewertungskennzahlen sehr vorsichtig zu sein.
Investitionen und Exporte sind der Schlüssel für das Verarbeitende Gewerbe in den USA
Hohe Investitionen kurbeln das verarbeitende Gewerbe an, da der Großteil der US-Industrieproduktion aus Investitionsgütern und Autos besteht. Der Einsatz neuer Maschinen und Anlagen trägt zur Steigerung der Arbeitsproduktivität bei, was das strukturelle Wachstum des Konsums unterstützt. Der S&P ist in hohem Maße von der Investitionstätigkeit abhängig, und 25-30 Prozent des S&P-Umsatzes hängen mit Investitionsausgaben zusammen. Davon ist jedoch mehr denn je technologiebezogen.
Bei ausreichend hohen Investitionen übersteigt das S&P-Umsatzwachstum in der Regel das ~1,5-fache des nominalen Wachstums des US-Bruttoinlandsprodukts (BIP), wie in den vergangenen Zyklen zu beobachten war. Das S&P-Umsatzwachstum hat die post-Covid Aufholphase wieder hinter sich gelassen und wächst jetzt vor allem nur noch dank hoher Inflation mit nominal 11,7 Prozent. Inflationsbereinigt, also auf realer Basis, liegt das BIP-, das S&P-Umsatz- und das Investitionswachstum nur im niedrigen einstelligen Bereich. Wir gehen davon aus, dass sich dieses Wachstum in den kommenden Quartalen weiter verlangsamen wird, da die USA eine leichte Rezession durchlaufen.
Ein mauer Konjunkturzyklus begünstigt nachhaltige Wachstumswerte - wir mögen F&E-getriebene Branchen
Wie sollte man sich längerfristiger am Aktienmarkt positionieren, wenn man also bereit ist, über die Konjunkturrisiken der nächsten Quartale hinwegzusehen? Wir bevorzugen im US-Markt nachhaltige Wachstumssektoren, die sich durch hohe F&E-Quoten auszeichnen, wie z. B. Gesundheitswesen, Technologie, Kommunikation sowie einige Dienstleister aus dem zyklischen Konsumsektor. Wir halten auch Versorger für ein attraktives Anleihen-Substitut, das von hohen Erdgaspreisen, Elektrifizierungstrends und politischen Initiativen profitiert und nichtzyklische, inflationsgeschützte Dividendenrenditen aufweist. Auch Banken mögen wir weiterhin, da wir trotz der Zinserhöhungen der US-Notenbank (Fed) keinen signifikanten Anstieg der Kreditausfallkosten erwarten. Industriewerte, Grundstoffe, viele Basiskonsumgüter und einige technologische und zyklische Branchen, die entweder zu teuer bewertet sind oder deren Gewinne am meisten gefährdet sind, vermeiden wir. Wir erinnern die Anleger daran, dass es Schutz gegen eine hartnäckige, breit angelegte Inflation nicht nur im Energiesektor und anderen Schwerindustrien gibt. Andere Branchen, vor allem solche, die auf Forschung und Entwicklung ausgerichtet sind, könnten langfristig den besten Inflationsschutz bieten.