Der am 15. Januar unterzeichnete amerikanisch-chinesische "Phase-One-Deal" brachte keine Überraschungen. Das Abkommen konzentriert sich auf folgende Punkte: China verpflichtet sich zu deutlich höheren Importen aus den USA (200 Milliarden US-Dollar mehr über die nächsten zwei Jahre im Vergleich zu den 2017er Zahlen), öffnet den Finanzmarkt für ausländische Investoren, verzichtet darauf, ausländische Unternehmen zum Technologietransfer zu zwingen, respektiert die Rechte am geistigen Eigentum und verzichtet auf Währungsmanipulationen. Im Gegenzug haben die USA bereits im Dezember weitere geplante Zollerhöhungen ausgesetzt und werden die Zölle auf bestimmte US-Importgüter aus China im Wert von 120 Milliarden Dollar halbieren (von bisher 15 auf 7,5 Prozent).
Was sind die wirtschaftlichen Auswirkungen?
Der durchschnittliche Zollsatz im bilateralen Handel ist nach wie vor deutlich höher als vor Beginn des Handelskonflikts. China zahlte bis Anfang 2018 im Durchschnitt drei Prozent Zoll auf Exporte in die USA, die USA acht Prozent. Beide haben nun eine durchschnittliche Zollbelastung von rund 20 Prozent im jeweiligen bilateralen Handel. Daran wird sich kaum etwas ändern. Trotzdem erwarten wir einen positiven Effekt auf das Wirtschaftswachstum beider Länder. Schließlich hatte im vergangenen Jahr der indirekte negative Effekt der hohen Unsicherheit (mit Auswirkungen auf die Nachfrage und Investitionen) die Wirtschaftsaktivität stärker belastet als die direkten Zollkosten. Die US-Wirtschaft dürfte zudem von den deutlich höheren chinesischen Importen aus den USA (im Vergleich zu den Volumen vor dem Handelskrieg) profitieren.
Was ist im "Phase-One-Deal" nicht gelöst worden?
Zwar dauerte es über zwei Jahre, um das Abkommen zu schließen, doch wurden nun zunächst nur die am wenigsten kontroversen Probleme gelöst. Die Marktöffnung ist Teil der langfristigen Strukturreformen in China und ist ebenso wie die Einhaltung der Rechte am geistigen Eigentum auch für Chinas interne Entwicklung wichtig. Die kontroversesten Fragen wurden zwar nicht aufgenommen, sollen aber laut US-Regierung Teil eines Folgeabkommens ("Phase-Two-Deal") sein, das wahrscheinlich nicht vor den US-Wahlen in Angriff genommen werden wird. Die chinesische Seite ist bezüglich dieser Themen zurückhaltend und betreibt offensichtlich ein defensives Erwartungsmanagement. Was sind die langfristigen, wichtigen Konfliktthemen zwischen den USA und China?
Streitpunkt Technologie: Wettbewerb um die zukünftige globale Technologievorherrschaft und Cyber-Security
Der Wettlauf um die Positionierung wichtiger Zukunftsindustrien (v.a. im Bereich künstlicher Intelligenz) dürfte ein Motiv für weitere gegenseitige nicht-tarifäre Handelshemmnisse bieten. Ebenso sind ein zentrales Thema die berechtigten Sicherheitsinteressen, die mit der Durchdringung von chinesischer Technologieausrüstung in sensible Bereiche des Militärs und der nationalen Sicherheit verbunden sind. Beide Bereiche werden oft vermischt, oder aber es werden Sicherheitsbedenken vorgeschoben, um unliebsame Wettbewerber zu bremsen.
Beide Konfliktfelder zeigen sich deutlich beim Umgang mit dem chinesischen Telekom-Giganten Huawei. Er unterliegt wie viele andere chinesische Technologieunternehmen einem de-facto-Verbot von Lieferungen von US-Unternehmen. Da viele US-Firmen erhebliche Umsätze mit Huawei erzielen, wurde das Verbot seit der Verhängung mehrmals verschoben (von August bis November 2019 und am 19. November um weitere drei Monate). Insofern wundert es nicht, dass US-Finanzminister Steven Mnuchin einmal mehr betont hat, dass Huawei kein Thema für das Handelsabkommen ist.
Chinesische Staatssubventionen verzerren die relative Wettbewerbsfähigkeit:
Umfangreiche Subventionen verschiedenster Art (von verbilligten Krediten bis hin zu billigeren Energieträgern und Rohstoffen) haben mit dazu beigetragen, dass Chinas Technologieunternehmen mittlerweile global dominante Positionen übernommen haben. China hat in Bezug auf alte und neue Technologien schnell aufgeholt und ist heute ein ernstzunehmender Konkurrent in verschiedenen Sektoren. Staatliche Subventionen, die die relative Wettbewerbsfähigkeit verzerren, sowie die massiv staatlich unterstützte langfristige Entwicklungsstrategie "Made in China 2025" zur Förderung von Schlüsselindustrien, werden immer öfter vom Ausland kritisiert. Technologieförderung stellt für China jedoch eine "rote Linie" dar. Kritik wird als Einmischung in Staatsangelegenheiten gesehen. Die Industriepolitik gilt als nicht verhandelbar. Das Thema wurde im Abkommen nicht aufgenommen, Präsident Trump hat das Thema mittlerweile auf später (nach den US-Wahlen) verschoben. Schützenhilfe bekommen die USA auch von Europa und Japan, die gemeinsam mit den USA diese Punkte im Rahmen der Durchsetzung von den WTO-Regeln angehen wollen.
Politische Konflikte
Zudem gibt es zahlreiche politische und geopolitische Streitpunkte zwischen beiden Ländern, die potentiell auch zu Wirtschaftssanktionen führen können. Etwa das Hongkong-Gesetz – eine parteiübergreifende Initiative zur Unterstützung des Kampfes von Hongkong für Demokratie und zur Unterstützung von regierungsfeindlichen Protesten in Hongkong – welches China dazu veranlasst hat, Vergeltungsmaßnahmen anzudrohen. Oder die Kritik der USA (und anderer Länder) am Umgang der Chinesen mit den Uiguren, einer muslimischen Minderheit im Gebiet Xinjiang. Auch dies wertet China als Einmischung in souveräne Angelegenheiten.
Was ist das Risikoszenario?
Im Falle eines erneuten Scheiterns der bilateralen Verhandlungen, gefolgt von der Einführung weiterer Zölle auf chinesische Produkte, muss man mit unmittelbaren Vergeltungsmaßnahmen Chinas rechnen. Die bevorzugten Maßnahmen von China wären wohl nichttarifäre Aktionen, die sich auf einzelne Unternehmen konzentrieren (gemäß der sogenannten "Entity Lists"). Eine gezielte Ausrichtung auf US-Firmen, die in China produzieren und verkaufen, hätte jedoch einen größeren negativen Effekt auf Umsätze und Gewinne als Strafzölle. Auch auf amerikanischer Seite werden dem Vernehmen nach neue mögliche Sanktionen ausgelotet. Etwa ein Arbeitsverbot von US-Bürgern am chinesischen Finanzmarkt, oder auch eine Verringerung des Gewichts chinesischer Wertpapiere in internationalen Benchmarks. Eine solche Spirale negativer Sanktionen wäre für beide Länder negativ und hätte schwerwiegende Auswirkungen auf den globalen Handel, die Lieferketten und die Finanzmärkte.
Fazit: ein Ende der Eskalation auf hohem Reizniveau
Ein Waffenstillstand im Handelskonflikt impliziert keinesfalls die Beilegung anderer Konfliktherde. Wir hegen daher wenig Hoffnung auf ein umfassendes Folgeabkommen ("Phase-Two-Deal") in absehbarer Zeit. Wir erwarten vielmehr, dass den geplanten regelmäßigen Konsultationen zwischen den USA und China eine große Bedeutung zukommen wird. Hier wird die wirkliche Arbeit geleistet und Kompromisse gefunden. Dies dürfte eher in "Mini-Schritten" (kleine Kompromisse in kritischen Fragen und allmähliche Zollrücknahmen) erfolgen, als in einem neuen, publikumswirksamen "Deal".