- Wachstumsaktien haben aktuell Rückenwind, angetrieben vor allem durch die beeindruckende Entwicklung der Magnificent Seven in den USA
- Da sich säkulare Trends in der Regel nur durch massive geänderte Einflussfaktoren umkehren lassen, besteht für Wachstumsaktien auch fortgesetzt Potential, andererseits nehmen auch die Risiken zu
- Diversifikationsüberlegungen sprechen im Portfoliokontext ganz klar für Substanzwerte, vor allem in der langen Sicht; auch die Bewertungen erscheinen aktuell attraktiv
Kurzfristiger Trend oder längerfristiges Auseinanderdriften?
Substanz vs. Wachstum – dieser seit Jahrzehnten bestehende Wettstreit der beiden Aktienstrategien hat jüngst durch die beeindruckende Entwicklung der „Magnificent Seven“ und anderer Wachstumsaktien neue Nahrung erhalten – zwar insbesondere in den USA, aber durchaus auch in Europa. Das Wachstumssegment hat sich seit Anfang 2023 erneut kräftig von Substanzwerten entkoppelt. Aktuell scheint sich der Hype um Wachstumsaktien zwar wieder ein wenig zu legen, doch ob dies bereits das Ende der kräftigen Outperformance gegenüber Substanz einläutet, muss sich erst noch zeigen. Wir finden nach wie vor gute Argumente für beide Strategien und sehen im Portfoliokontext durchaus die Notwendigkeit, eine gewisse Balance zwischen ihnen zu finden. Das wichtigste Stichwort in diesem Zusammenhang lautet: Diversifikation!
1 / Substanz gegen Wachstum – der ewige Wettkampf
Die Definition von Wachstums- im Gegensatz zu Substanz-Aktien ist einfach, zumindest in der Theorie: Substanzunternehmen haben in der Regel ein niedriges Kurs/Buchwert-Verhältnis, eine hohe Dividendenrendite und ein niedriges Kurs/Gewinn-Verhältnis; bei Wachstumsunternehmen ist es genau umgekehrt. In der Praxis scheinen die Übergänge hingegen zeitweise fließend zu sein. So wird beispielsweise die Apple-Aktie von einigen Strategen als Wanderer zwischen der Wachstums- und der Substanz-Welt gesehen, die sich mehr und mehr zu einem Substanztitel zu entwickeln scheint. Substanzaktien kommen vor allem aus dem Finanz-, Gesundheits-, Industrie- und Energiesektor. Wachstumsaktien sind vor allem in den Bereichen Technologie, zyklische Konsumgüter und Kommunikationsdienste zu finden. Wachstumstitel sollten im Umsatz, aber vor allem auch im Gewinn deutlich schneller wachsen als ihre Pendants. Wir sprechen hier von jungen, innovativen sowie agilen Unternehmen, die sich in vielen Punkten von den reifen, teilweise konjunktursensitiven Substanzwerten unterscheiden. Da disruptive Ideen und Technologien aktuell den Nerv der Zeit treffen, da aus ihnen Hoffnung für zukünftiges Wachstum geschöpft werden kann, reitet das Growth-Segment auf einer Erfolgswelle.
1.1 Ungewöhnlich niedrige Zinsen haben in den vergangenen 15 Jahren zur Outperformance der Wachstumstitel geführt
Nunmehr seit etwa 2007 haben die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für einen außergewöhnlich langen Zeitraum ein Umfeld geschaffen, in dem - mit einer bemerkenswerten Ausnahme im Jahr 2022 - Wachstumsaktien florierten, während Substanztitel hinterherhinkten (als Grundlage gelten hier der MSCI World Growth sowie der MSCI World Value-Index). In der längeren Historie haben sich Value- und Growth-Phasen in schöner Regelmäßigkeit abgewechselt, wobei Wachstumstitel schon immer etwas längere Outperformance-Zeiträume für sich reklamieren konnten. Substanzaktien waren immer dann beliebt, wenn die Wirtschaft boomte. Dies lag vor allem daran, dass sich beispielsweise Industrie- und Energiewerte eher zyklisch entwickelt haben. Lief die Wirtschaft dagegen schlecht, waren defensive Titel wie Versorger gefragt. Bei „mittlerem“ Wachstum hingegen schnitten Wachstumstitel gut ab – und ein solches fundamentales Umfeld gab es nun einmal über deutlich längere Zeiträume.[1]
Historisch wechseln sich Outperformance-Phasen von Wachstum und Substanz vergleichsweise regelmäßig ab
Quellen: Bloomberg Finance L.P., DWS Investment GmbH; Stand 22.03.2024
Die ungewöhnlich niedrigen Zinsen der vergangenen eineinhalb Dekaden haben jedoch zu einem Ungleichgewicht geführt. Bei Zinsen nahe der Nulllinie scheint es für Anlegerinnen und Anleger plötzlich attraktiv, Aktienrisiken mit längerer Duration einzugehen. Unternehmen, deren Cashflows weiter in der Zukunft liegen, werden plötzlich interessant. Substanzunternehmen, die in der Regel früher Erträge abwerfen, standen auf einmal nicht mehr so stark im Fokus. Corona gab Wachstumsaktien einen zusätzlichen Schub, da die Nachfrage nach Produkten von Firmen wie Apple und Netflix während der Lockdown-Phasen in die Höhe schnellte.
Die Situation änderte sich 2022 drastisch, als die Zentralbanken weltweit begannen, die Leitzinsen anzuheben, um die galoppierende Inflation zu bekämpfen. Technologiewerte erlebten einen massiven Einbruch, Anlegerinnen und Anleger flüchteten in die vermeintliche Sicherheit der Substanzwerte. Entsprechend fiel in diesem Jahr der MSCI World Growth-Index um knapp 30 Prozent, während der entsprechende Value-Index „nur“ um rund 8,5 Prozent nachgab.
Doch diese Gemengelage währte nicht lange, denn im vergangenen Jahr legten Wachstumsaktien mit knapp 37 % wieder massiv zu, und sicherten sich den zweitgrößten Vorteil gegenüber Substanztiteln (nach 2020) seit 25 Jahren. Die regionale Bankenkrise in den USA im Frühjahr 2023 hatte den Finanzwerten, die eine wichtige Komponente der Substanzkategorie sind, stark zugesetzt, obwohl steigende Zinsen dieses Segment theoretisch hätten begünstigen müssen. Plötzlich wurden selbst die "Magnificent Seven" zu den Qualitätswerten gezählt – und diese kleine Gruppe schaffte es, die großen Wachstumsindizes in die Höhe zu treiben, wodurch das Substanzsegment einmal mehr auf der Strecke blieb.
Aufgrund der vergleichsweisen sehr niedrigen Bewertung der Substanzaktien gegen Ende 2023 hegten etliche Strategen die Hoffnung, dass hieraus Rückenwind für diese Titel entstehen könnte. Substanzaktien waren im Vergleich zu anderen Marktsegmenten eher günstig. "Wenn die Kapitalkosten nicht mehr bei Null liegen, kommt es darauf an, was man für Dinge bezahlt", war nur einer der Denkansätze in Richtung Substanz.
1.2 Magnificent Seven und insbesondere Nvidia forcieren hohes Growth-Momentum auch Anfang 2024
Doch die ersten Wochen des Jahres 2024 haben ein anderes Bild gezeichnet; denn fürs Erste hat sich die Dominanz der Wachstumsaktien fortgesetzt bzw. konnte noch leicht ausgebaut werden. In der Wertentwicklung seit Jahresbeginn liegt Substanz erneut klar im Hintertreffen. Angetrieben wurde diese Entwicklung wesentlich von den Magnificent Seven und innerhalb derer insbesondere von Nvidia. Die Aktie hat sich seit Jahresbeginn bis Mitte März um sage und schreibe 80% verteuert und mittlerweile eine Marktkapitalisierung von über 2 Billionen Dollar erreicht. Damit sticht das Papier des Entwicklers von Grafikprozessoren und Chipsätzen selbst aus den Magnificent Seven deutlich heraus.
Seit nunmehr rund vier Wochen hat sich die Reihenfolge allerding gedreht, Substanz liegt seit Mitte Februar mit Blick auf die Wertentwicklung in Führung. Und somit verdichten sich auch die Anzeichen, dass die breit angelegte Unterstützung der Wachstumsaktien ihren Höhepunkt bereits hinter sich gelassen haben könnte. Doch ob nun wirklich eine länger andauernde Phase beginnt, in der sich Wachstumstitel ihren Pendants von der Substanz Seite unterordnen müssen, muss sich erst noch zeigen.
Seit Mitte Februar hat Substanz gegenüber Wachstum wieder die Nase vorn
Quellen: Bloomberg Finance L.P., DWS Investment GmbH; Stand 22.03.2024
Denn jetzt geht es darum, wie es mit dem globalen Wachstum, der Inflation und demzufolge auch mit den Leitzinsen auf beiden Seiten des Atlantiks weitergeht. Sollte sich das konjunkturelle Umfeld aus Sicht der Aktienanleger nicht solide genug entwickeln, könnte es weiterhin schwer werden für Substanzwerte. Perspektivisch sinkende Leitzinsen und eine moderate Inflations- und Wachstumsentwicklung könnten hingegen fortgesetzte Unterstützung für Wachstumsaktien bieten. Auf der anderen Seite haben sich die Zinssenkungserwartungen in den USA und der Eurozone seit Jahresanfang auch wieder deutlich reduziert. Und wenn Zinssenkungen in geringerem Umfang und vielleicht sogar in größeren Abständen erfolgen, als der breite Markt antizipiert, könnte sich daraus wiederum ein unterstützendes Umfeld für Substanz ergeben. Generell ist vorstellbar, dass eine Periode langsameren Wachstums defensiven Aktien mit derzeit günstigerer Bewertung wie Versorgern und Basiskonsumgütern zugutekommt, zyklischere Werte hingegen dürften dann eher zu den Verlierern gehören.
1.3 Konzentration der globalen Aktienmärkte läuft ins Extrem
Ein paar wenige Aktien machen den Markt. So simpel dieser Spruch auch sein mag, aktuell spiegelt er exakt die Realität wider, insbesondere in den USA. Dem Markt fehlt die Breite, die Konzentration ist hoch – zu hoch? Im Jahr 2023 haben die Top 5 Einzeltitel rund 13 Prozent zur Wertentwicklung des S&P 500-Index beigetragen. Zu diesen Top-Performern gehören neben Nvidia und Microsoft auch Alphabet, Amazon und Apple, als die besten Titel der Magnificent Seven. Der Anteil der Magnificent Seven allein an der Marktkapitalisierung des S&P 500 ist mittlerweile auf 34 Prozent angestiegen. Zudem liegt die Marktkapitalisierung der Top-10-Prozent größten US-Aktien aktuell wieder bei knapp 75 Prozent und damit auf einem Niveau, dass in der längeren Vergangenheit meist eine schärfere Gegenbewegung nach sich gezogen hat. Zum Vergleich: seit 1926 liegt der Median der Marktkonzentration bei knapp unter 65 Prozent. Solche Bewertungsindikatoren könnten folglich eine wichtige Rolle bei einem möglichen Wiedererstarken der Substanzaktien spielen.
Konzentration am amerikanischen Aktienmarkt auf historischem Hoch
Quellen: Deutsche Bank Research, DWS Investment GmbH; Stand: Januar 2024
Eine interessante Beobachtung ist auch die Entwicklung der Faktorrenditen im S&P 500 im vergangenen Jahr; diejenigen Faktoren, die typischerweise für den Wachstumssektor stehen, haben eine deutlich bessere Entwicklung aufgewiesen – beispielsweise standen „hohes WAAC (Weighted Average Cost of Capital)“ und „hohes Beta“ bei 17,2 respektive 16,8 Prozent Plus. Auf der anderen Seite lagen Faktoren wie „geringes Gewinnwachstum“ oder auch „geringes Beta“ erkennbar im Minus.
Betrachten wir die Aktienmarktentwicklung in der ganz langen Historie, ist gut zu erkennen, dass diejenigen Sektoren, die für die jeweilige Wirtschaftsphase von großer Bedeutung waren, auch in den Indizes die größte Rolle gespielt haben. Der Technologiesektor ist heute in etwa so groß wie der Energiesektor auf seinem Höhepunkt Mitte der 1950er Jahre. Er bleibt im Index kleiner als der Transportsektor (der im 20. Jahrhundert dominierte) oder der Finanz- und Immobiliensektor, die im 19. Jahrhundert den größten Teil des Aktienmarktes ausmachten.[2]
Hohe Konzentration in den Indizes bedeutet auch gleichzeitig hohe Konzentration in den entsprechenden, auch aktiv gemanagten Fonds, da sich aktive Positionierungen gegen den allgemeinen Markttrend schnell rächen können. Zu geringe Diversifikation macht die Fonds wiederum anfällig für sich schnell ändernde Marktbedingungen, beispielsweise, wenn sich das Sentiment in Richtung Substanz drehen würde – und viele Fondsmanagerinnen und Fondsmanager „hinterherspringen“ müssen.
2 / Wachstum liegt in der Anlegergunst momentan weit vorne
Wachstum steht für Unternehmen, die in wachsenden Märkten agieren, die Marktanteile gewinnen und darüber hinaus Preissetzungsmacht haben. Wachstumsstrategien zielen auf Unternehmen mit überdurchschnittlichem Wachstumspotenzial ab. Generell können Innovationen zwar schwer vorhergesagt werden, insbesondere der genaue Zeitpunkt deren Eintreffens. Doch wenn dann wirklich der Durchbruch gelingt, wird das Gewinnwachstum des jeweiligen Unternehmens meist auf ein neues Level gehoben. Zudem kann über eine bestimmte Phase oftmals weitgehend unabhängig von der Wirtschaftsentwicklung agiert werden.
Mit Blick auf die zu erzielende Dividende ist ebenfalls eine andere Sichtweise gefordert als bei Substanztiteln. Meist fallen die Dividendenzahlungen von Wachstumstiteln deutlich geringer aus als im Segment der Substanzwerte. Doch geht es bei einer Investition in Wachstum ja auch hauptsächlich darum, dem Unternehmen Kapital für Forschung und Entwicklung längerfristig zur Verfügung zu stellen, um damit im Idealfall das Gewinnwachstum nachhaltig zu gestalten. Generell steigen die Gewinne bei Wachstumsaktien stärker, zumindest per Definition. Eine Gewinnverdopplung dauert, im historischen Kontext betrachtet, etwa zehn Jahre, während Substanztitel im gleichen Zeitraum um rund 50 Prozent zulegen können. Der MSCI World Growth erreichte über die vergangenen zehn Jahre ein jährliches Gewinnwachstum von rund 10,5 Prozent, sein Value-Pendant kam auf 3,42 Prozent. Wachstumsinvestoren haben die Erwartung, dass die Aktienkurse der Gewinnentwicklung folgen; im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Kursentwicklung der Wachstumstitel die des Substanzsegments schlagen sollte.
Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Betrachtung von Wachstum ist die Zinssensitivität. Wachstumsunternehmen reagieren sensibel auf Zinssteigerungen, da die künftigen Gewinne mit dem aktuellen Zinssatz abgezinst werden. Generell gilt: Je höher der Zinssatz ist, desto niedriger der aktuelle Wert. Zwar scheint diese Maßgabe aktuell keine wirklich große Rolle zu spielen, doch wenn sich die Zinssenkungserwartungen beiderseits des Atlantiks weiterhin so rückläufig entwickeln, könnte dies auch einen negativen Einfluss haben. Zudem sind viele Wachstumsunternehmen durch hohe Investitionen oft auch hoch verschuldet – und teure Schuldentilgung belastet die Gewinnmarge. Die Magnificent Seven bilden hier eine Ausnahme.
2.1 Wachstumsstrategien bieten hohe Chancen …
- Hohes, im Idealfall überdurchschnittliches Wachstumspotenzial ist der offensichtlichste Vorteil einer Wachstumsstrategie. Unternehmen, die auf Wachstum ausgerichtet sind, werden oft mit innovativen Produkten assoziiert oder mit Dienstleistungen, die in expandierenden Märkten gefragt sind.
- Die Rendite einer Anlage ist bei Wachstumstiteln vor allem durch Langfristigkeit gekennzeichnet – allerdings ist hier auch Geduld der Anlegerinnen und Anleger gefragt. Je früher der Einstieg, desto besser.
- Bei Wachstumsunternehmen können die Investorinnen und Investoren davon ausgehen, dass die präsentierten Innovationen auch zu einem Wettbewerbsvorteil in der jeweiligen Branche führen. Dies kann die Grundlage dafür bieten, langfristig erfolgreich zu werden.
2.2 … beinhalten allerdings auch Risiken
- Wachstumsaktien handeln häufig volatiler als etablierte Substanztitel. Höhere Volatilität kann somit zu erhöhter Unsicherheit führen.
- Mit einer hohen Erwartungshaltung ist das Risiko großer Enttäuschungen verbunden, soweit diese nicht erfüllt werden können.
- Die Ausrichtung der Unternehmen im Wachstumssektor ist deutlich stärker auf Wachstum ausgerichtet als auf das Zahlen von Dividenden. Hohe Kursgewinne sollten fehlende Dividendenzahlungen im Idealfall ausgleichen.
- Wachstumsaktien sind anfälliger für Marktzyklen. Insbesondere in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit oder Rezessionen könnten sie unter Druck geraten, sofern das gewählt Geschäftsmodell noch nicht hält, was es verspricht.
3 / Substanz bleibt ein wichtiger Baustein
Beim Investieren in Substanz - dessen bekanntester Vertreter Warren Buffet ist - geht es vor allem darum, Unternehmen zu identifizieren, deren Aktienkurse im Vergleich zu ihrem inneren Wert unterbewertet sind. Der innere Wert eines Unternehmens bezieht sich auf seine Vermögenswerte, Schulden und Cashflows. Wenn der Aktienkurs eines Unternehmens unter seinem inneren Wert liegt, gilt es als Substanzunternehmen. Substanzaktien werden oft als „unterbewertet“ bezeichnet, da der Markt (scheinbar) den vollen Wert des Unternehmens noch nicht erkannt hat.
Wie bereits erwähnt, zeichnen sich Substanzaktien durch ein niedriges Kurs-Gewinn-Verhältnis sowie eine hohe Dividendenrendite aus. Zudem können die entsprechenden Unternehmen auf eine stabile Finanzlage verweisen, mit starken Bilanzen und niedrigen Schulden im Vergleich zu den erwirtschafteten Cashflows.
3.1 Den Vorteilen von Substanzaktien …
- Wir sprechen von Qualitätsunternehmen, die eine tiefe (aus Sicht des Marktes zu tiefe) Bewertung aufweisen; diese Bewertungslücke gilt es aufzuholen.
- Unternehmen, die sich aufgrund der Beständigkeit ihres Geschäftsmodells bereits am Markt bewährt haben, stehen für Solidität und einen auch zukünftig stabilen Kurs.
- Investoren erwarten eine höhere Dividendenrendite sowie dann auch auf lange Sicht erhöhte Renditechancen.
3.2 … stehen natürlich auch Punkte gegenüber, die durchaus als Nachteile empfunden werden
- Oftmals erzielen Substanzaktien niedrigere Kursgewinne, da sich ihr mittel- bis langfristiges Wachstumspotenzial häufig als geringer herausstellt.
- Möglicherweise fehlendes Wachstum kann in der längeren Betrachtung zu einer dann auch niedrigeren Aktienbewertung führen; oder aber, Investoren müssen längere Zeit auf den erwarteten Anstieg des Aktienkurses warten.
- In der Regel weisen Substanzwerte weniger Innovation als Wachstumsunternehmen auf, was sich aber nicht als wirklicher Nachteil herausstellen muss.
Auch wenn sie vielleicht nicht so aufregend sind wie ihre Pendants aus dem Bereich der Wachstumsaktien, bei denen vor allem oft (disruptive) Innovation die Performance treibt, ist es wichtig zu erkennen, dass Substanzaktien auf lange Sicht genauso viel Potenzial haben können wie Wachstumstitel, wenn nicht sogar mehr. Beispielsweise wäre eine Investition von 1.000 Dollar in Berkshire Hathaway Anfang 1965 heute mehr als 28 Millionen Dollar wert. Unternehmen zu identifizieren, die unter ihrem tatsächlichen Wert gehandelt werden, ist ein seit Jahrzehnten bewährter Anlagestil, der vor allem in der sehr langen Frist den Wachstumsstrategien oftmals überlegen ist. Geduld zahlt sich aus.
4 / Kein Wachstum um jeden Preis, Balance ist wichtig!
Wachstumsaktien scheinen noch en vogue, auch wenn der Hype langsam etwas an Momentum verliert. Wachstum um jeden Preis ist ohnehin nicht das, worauf sich Investorinnen und Investoren fokussieren sollten. Denn auch bei Wachstumstiteln ist es wichtig, auf die Bewertungen zu schauen. Die von den Investoren erwartete Profitabilität sollte im Rahmen eines absehbaren Zeithorizonts erreichbar sein. Auf der anderen Seite ist zu konstatieren, dass säkulare Trends in der Regel nur durch einschneidende Ereignisse gestoppt werden können. Und diese „schwarzen Schwäne“ sind schon per Definition nicht immer vorherzusehen.
Bei Betrachtung des Bewertungsverhältnisses zwischen dem MSCI Word Growth-Index und seinem Pendant von der Value-Seite ist zwar zu erkennen, dass wir uns von den Hochs des Jahres 2020 zwar mittlerweile wieder deutlich entfernt haben. In der längerfristigen historischen Betrachtung liegt der Bewertungsaufschlag allerdings noch immer auf deutlich erhöhten Niveaus. Ob sich die Korrektur fortsetzt, hängt davon ab, ob Titel wie Nvidia die hohe Erwartungshaltung weiterhin bedienen können.
Basierend auf Konsensus-2024-Gewinnen handelt der MSCI World Growth mit einem Kurs/Gewinn-Verhältnis von 27x im Vergleich zu 14x beim Value-Index fast doppelt so hoch. Aber bei Growth wuchsen die Gewinne auch rund dreimal so schnell, 15 Prozent vs. 5 Prozent. Zudem hat die jüngste Berichtssaison wieder gezeigt, dass die Gewinne im Wachstumsbereich eher nach oben revidiert werden, während der Rest des Marktes eher einen gegenteiligen Trend beobachtet.
Wachstumsaktien relativ teuer, auch im Vergleich zur eigenen Historie
Quellen: FactSet Research Systems Inc., DWS Investment GmbH; Stand: Februar 2024
Auch beim Vergleich der aktuellen Rallye der Wachstumswerte mit den 2000ern ist Vorsicht angebracht. Wie bereits erwähnt, haben etliche Wachstumsfirmen jüngst wieder mit starken Gewinnen (inklusive Schätzungen) beeindruckt – als Beispiele zu nennen sind hier (wieder einmal) Microsoft und Nvidia. Microsoft dürfte den Nettoertrag laut Konsensschätzungen von rund 72 Milliarden Dollar in 2023 in den kommenden beiden Berichtsjahren auf 87 respektive knapp 100 Milliarden steigern. Bei Nvidia soll es von berichteten 30 Milliarden Dollar für 2024 (abweichendes Geschäftsjahr) in den kommenden beiden Jahren auf rund 60 und dann auf über 70 Milliarden nach oben gehen.
Allerdings tendieren Märkte auch zu „Mean Reversion“, d.h., dass die Bewertungsrelationen langfristig zu ihrem Durchschnitts- oder Mittelwert zurückkehren. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass sich die Bewertungsvorteile von Wachstumsaktien längerfristig wieder umkehren sollten und dadurch Rückenwind für das Substanzsegment entstehen dürfte. Zudem kam es historisch immer wieder zu Phasen der Übertreibung – und so könnte der Umstand, dass momentan gefühlt das Wachstumsprofil der Wachstumstitel einfach extrapoliert wird, für Enttäuschungen sorgen. Im Substanzsegment hingegen scheint die Hürde, die für positives Überraschungspotential übersprungen werden muss, vergleichsweise niedrig gesetzt.
Zu beachten ist darüber hinaus, dass die wieder deutlich höheren Zinsen und Renditen auch im Wachstumssegment die Spreu vom Weizen trennen. Denn einerseits gibt es die Unternehmen, die wirklich mit disruptiven Ideen und Geschäftsmodellen einen zukunftsträchtigen Pfad eingeschlagen haben. Auf der anderen Seite haben allerdings auch etliche Firmen lediglich auf zinsloses Kapital gesetzt. Und dies sind die Geschäftsmodelle, die im momentanen Zinsumfeld auf der Verliererstraße unterwegs sein dürften.
Es ist eine Frage der Einstellung und Denkweise, welche Anlagestrategie bevorzugt wird. Unsere Welt befindet sich im Wandel, und viele argumentieren, dass nur Innovationen Lösungen für die drängendsten Probleme unserer Zeit bieten können. Denn schließlich können durch positive Rückkopplungsschleifen auch Sektoren außerhalb des Technologiesektors durch neue Technologien profitieren und helfen, attraktive wirtschaftliche Rahmenbedingungen schaffen.
Letztlich ist es vor allem der Diversifikationsaspekt, der noch einmal betont werden muss. Argumente lassen sich für beide Anlagestrategien finden. Das Ziel sollte ein balanciertes Portfolio sein.