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- Wachstumsüberraschungen Made in The U.S.A.
„Alle Statistiken sind Antworten auf spezifische und äußerst eng gefasste Fragen“, betonte der Wirtschaftshistoriker E. J. Hobsbawn gern. Wenn sie zur Beantwortung anderer Fragen verwendet werden, „ist äußerste Vorsicht angebracht“.[1] Nehmen wir die herausragende Wachstumsleistung der US-Wirtschaft inmitten weit verbreiteter Rezessionsängste im Jahr 2023.[2] Auch die neuesten Zahlen für das vierte Quartal sorgten für Staunen an den Märkten.
Im gesamten Jahr 2023 betrug das nominale US-Wirtschaftswachstum den neuesten Zahlen zufolge durchschnittlich etwa 5,8 Prozent, teilweise angekurbelt durch höhere Lagerbestände. Um dies einzuordnen, zeigt unser „Chart of the Week“ die saisonbereinigte nominale Veränderung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Vergleich zum konjunkturbereinigten Primärsaldo der US-Regierung als Prozentsatz des potenziellen BIP. Zugegebenermaßen neigen die quartalsweisen Kalkulationen, wie sich das US BIP im Jahresvergleich verändert hat, dazu, recht revisionsanfällig zu sein.
US-Wirtschaftswachstum im Vergleich zu konjunkturbereinigten Staatsdefiziten
Quellen: BEA, OECD/Haver, DWS Investment GmbH; Stand: 31.01.2024Alle zugrunde liegenden Schätzungen und Anpassungen des in unserem Chart angestellten Vergleichs sind selbst in den besten Zeiten eher Kunst als Wissenschaft.[3] Dennoch ist es interessant festzustellen, dass die US-Regierung mit 3,9 Prozent des BIP ein konjunkturbereinigtes Defizit verzeichnete, und damit etwa 2,5 Prozent höher war als im Jahr 2022. Geht man auch nur von einem mäßig effektiven Fiskalmultiplikator aus (z.B. irgendwo in der Größenordnung von 0,5 bis 0,75 Prozent), würde dies darauf hindeuten, dass ein beträchtlicher Teil der Wachstumsüberraschung im letzten Jahr auf das hohe Defizit von Uncle Sam zurückzuführen ist.
Die Realität ist wahrscheinlich um einiges komplizierter. Fiskalimpulse sollten nicht mit fiskalpolitischen Multiplikatoren verwechselt werden.[4] In diesem speziellen Fall scheint der Grund für das größere Defizit größtenteils auf sinkende Steuereinnahmen und nicht auf höhere Staatsausgaben zurückzuführen zu sein.[5] Einige davon werden sich hoffentlich umkehren – insbesondere spiegelten die niedrigeren Kapitalertragssteuern die schwache Entwicklung der Kapitalmärkte in den ersten zehn Monaten des Jahres wider. Auch in anderen Bereichen gibt es Verzögerungseffekte. Beispielsweise dürften verschiedene jährliche Inflationsanpassungen der Steuervorschriften die Einkommenssteuern für diejenigen, deren Einkommen hinter der Inflation hinterherhinkte, vorübergehend gesenkt haben.[6]
„Unter dem Strich ist es noch zu früh, um zu sagen, wie viel Dynamik man in die jüngsten BIP-Wachstumszahlen wirklich hineininterpretieren kann“, argumentiert Christian Scherrmann, US-Economist bei der DWS. „Kein Wunder, dass die Federal Reserve (Fed) immer wieder betont, wie datenabhängig ihre geldpolitischen Entscheidungen auf absehbare Zeit bleiben werden.“[7]