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- Der deutsche Konsument muss es richten
Vor zehn Jahren war es einfacher, deutscher Außenminister zu sein. Man fuhr in der Welt umher und erteilte allen, ob sie wollten oder nicht, kluge Ratschläge. Dieser Neigung geht man zwar immer noch nach, allerdings bekommt man jetzt deutlich mehr Gegenwind oder Gegenratschläge: Wie man das mit der Energiewende hinbekommen könnte, das mit der unzuverlässigen Bahn, das mit der plötzlichen Budgetlücke im Haushalt oder auch das mit der Nationalmannschaft. Wie soll der deutsche Konsument denn in so einem Umfeld Kauflust entfachen?
Zumal die wirtschaftlichen Aussichten Deutschlands fürs kommende Jahr ohnehin allenthalben als mau eingeschätzt werden: Die globale Schwäche im verarbeitenden Gewerbe lastet auf den Exporten und die hohen Zinsen auf den Bauinvestitionen. Die Ausrüstungsinvestitionen haben sich zwar in der Vergangenheit weit besser gehalten, als man das angesichts der hohen Zinsen hätte erwarten können. Aber nach vorne heraus dürfte die Lücke im Bundeshaushalt und die daher geringer ausfallenden Subventionen für Investitionen in den Bereichen Umwelt, Digitalisierung und Infrastruktur das Wachstum bei Ausrüstungsinvestitionen bremsen.
Umsatzentwicklung des deutschen Einzelhandels, real und nominal
Quellen: Bloomberg Finance L.P., DWS Investment GmbH; Stand: 12.12.2023
Woher soll dann also das Wachstum kommen? Hoffnung für die deutsche Wirtschaft könnte ausgerechnet im privaten Konsum liegen. Die hohen Inflationsraten haben zwar den realen Konsum in diesem Jahr um etwa ein Prozent sinken lassen. Der Einzelhandel jedoch läuft – zumindest nominal gerechnet – prächtig. Wenn man von einigen Schwankungen absieht, mit rund vier Prozent pro Jahr. “Real sieht das natürlich derzeit nicht sehr rosig aus, weil die Konsumenten wegen der hohen Inflation nicht so viel fürs Geld bekommen. Die durchaus kräftigen Lohnabschlüsse legen jedoch nahe, dass der deutsche Konsument weiterhin genug Geld in der Tasche haben sollte, um die Einzelhandelsumsätze weiterhin solide wachsen zu lassen“, meint Martin Moryson, Chefvolkswirt Europa der DWS.
Die sinkenden Inflationsraten sollten dann dazu führen, dass der Konsum auch wieder real wächst. Im laufenden Jahr wurde den Konsumenten etwa sechs Prozent Kaufkraft abgezogen, im kommenden sollten es nicht einmal halb so viel sein. Real dürfte der private Konsum dann mit knapp einem Prozent wachsen. Das wäre gar nicht mal so schlecht für den deutschen Einzelhandel und die deutsche Wirtschaft. Allerdings haben wir nach Vorlage des revidierten 2024er Haushaltsentwurfs der Bundesregierung etwas größere Zweifel, dass dieses eine Prozent ausreicht, den negativen Impuls der jetzt weniger entlasteten, dafür stärker verunsicherten Unternehmen überzukompensieren.