DWS veröffentlicht Studie "A Framework for European Transformation"
Die DWS hat ihren ersten Research-Bericht im Rahmen der in der vergangenen Woche kommunizierten Initiative zur Europäischen Transformation veröffentlicht. Die Studie "A Framework for European Transformation" soll dabei helfen, den wachsenden Bedarf an Forschungsergebnissen zur Unterstützung der bevorstehenden grundlegenden wirtschaftlichen Transformation des europäischen Kontinents zu bedienen.
"Die Fundamente, auf denen Europas Wohlstand und Sicherheit in den vergangenen siebzig Jahren aufgebaut wurden, sind so nicht mehr zukunftsfähig,“ sagte Francesco Curto, Global Head of Research bei der DWS „Europa steht vor Herausforderungen, die von Veränderungen in der geopolitischen Landschaft über die Demografie und die Wettbewerbsdynamik bis hin zum Klimawandel reichen."
Europa befindet sich schon seit langer Zeit in einem beständigen Wandel. In den kommenden Jahrzehnten wird der Kontinent jedoch erhebliche Investitionen tätigen müssen, um seine Volkswirtschaften umzugestalten, Abhängigkeiten von außen zu verringern und eine nachhaltige Industrielandschaft aufzubauen. Dabei ist es das Ziel, den derzeitigen hohen Lebensstandard zu sichern und die Grundlagen für künftigen Wohlstand zu schaffen. Die „grüne Veränderung“ und die digitale Transformation in der EU erfordern nach Schätzungen der EU-Kommission zusammen mindestens EUR 595 Milliarden an Investitionen pro Jahr in den Bereichen Verkehr, Gebäude, Energie und Industrie[1].
Die DWS hatte vergangene Woche bekannt gegeben, dass sie beabsichtigt, eine Familie von Investment-Lösungen auf den Markt zu bringen, die dabei helfen sollen, Finanzierungslücken in der europäischen Transformation zu schließen. Darüber hinaus wird die DWS ein "Centre for European Transformation" an der Frankfurt School of Finance & Management fördern.
Francesco Curto weiter: "Die europäische Transformation erfordert einen erheblichen Kapitaleinsatz. Dabei wird es entscheidend darauf angekommen, dass privates Kapital die Rolle übernimmt, diesen Wandel voranzubringen. Wir sehen es als eine unserer Aufgaben an, dazu einen Beitrag zu leisten. Die privaten Märkte sind bereits weitgehend in der Lage, die europäische Transformation zu ermöglichen. Für die öffentlichen Märkte ist das eine größere Herausforderung, weil sowohl die politischen Entscheider als auch Anleger ihre Ansätze verändern und eine bessere Balance zwischen kurzfristiger Dynamik und langfristiger Perspektive finden müssen."
Der heute veröffentlichte Research-Bericht soll dazu beitragen, das Verständnis für die Aufgabenstellung zu schärfen und Denkanstöße dafür zu liefern, welche politischen, regulatorischen und kapitalmarktbezogenen Schritte notwendig sind, um die europäische Transformation möglich zu machen. Zugleich soll er informierte Entscheidungsprozesse in Politik und Wirtschaft zu unterstützen.
Vier Schwerpunktthemen
Die DWS hat vier Schwerpunktthemen identifiziert, in denen privates Kapital unmittelbar für die europäische Transformation mobilisiert werden kann. Grundlage der Überlegungen ist die Überzeugung, dass die längerfristige Natur privater Märkte derzeit besser geeignet ist, diesen Wandel voranzutreiben:
- EU Green Transition: Ein Teil des grünen Wandels wird von der EU und den Mitgliedstaaten finanziert werden, aber es wird immer noch ein erhebliches jährliches Finanzierungsdefizit bestehen, um die Ziele der „Grünen Transition Europas“ zu erreichen.
- Transforming European Corporations: Ein Teil der Umgestaltung europäischer Unternehmen wird erhebliche Investitionen in Bereichen wie Batterien und der Entwicklung des Stromnetzes benötigen. Dabei sind besonders Regulierungsbehörden gefordert, um Partnerschaftsstrukturen zu schaffen, mit denen nach Asien ausgelagerte Aktivitäten zurück nach Europa geholt werden können.
- Transforming European Commercial & Residential Real Estate: Gewerbe- und Wohnimmobilien spielen eine zentrale Rolle bei der europäischen Transformation. Von der Verringerung der CO2-Emissionen über die Modernisierung und Verbesserung der Qualität des Gebäudebestands bis hin zur Berücksichtigung der Luftqualität, der Artenvielfalt, des Wasserproblems und des physischen Klimarisikos: Immobilieninvestitionen sind sowohl diesen Risiken ausgesetzt – können aber auch Teil von deren Lösung sein. Darüber hinaus wird die Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum in Ballungsräumen vieler europäischer Länder zu einem immer drängenderen gesellschaftlichen Problem.
- Transforming European Infrastructure: Die Umgestaltung Europas kann nicht erfolgen, ohne dass die grundlegende Infrastruktur, auf die sich die Wirtschaft und die Gesellschaft im weiteren Sinne stützt, im Mittelpunkt des Wandels steht. Der Kapitalbedarf betrifft hier Bereiche wie Energie, Industrie, Mobilität und Infrastruktur, bei denen alte Bestände überholt und neue Anlagen gebaut werden müssen.
Sechs Fragestellungen, die angegangen werden müssen
Der Research-Bericht zeigt auch die Hindernisse auf, die Europa bei der Finanzierung von Transformationsprojekten überwinden muss, und skizziert die Notwendigkeit einer transformativen Gestaltung von Politik. In Bezug auf nachhaltige Investitionen, die einen wesentlichen Teil der Finanzierung ausmachen, hat die DWS sechs Fragestellungen identifiziert, die im Rahmen der europäischen Politik für eine nachhaltige Finanzierung angegangen werden müssen:
- Unklarheiten zu ESG und Nachhaltigkeit auflösen: Anleger verbringen viel Zeit damit, ESG-Daten zu verstehen, die mittlerweile mehr als 10 Millionen Daten von über 35.000 Emittenten enthalten und operationale Risiken aufzeigen. DWS Research empfiehlt, diese Daten zu vereinfachen und in die Finanzberichterstattung zu integrieren, damit sich die Anleger auf das wichtigere Thema der Nachhaltigkeit konzentrieren können.
- Sicherstellen, dass Anleger in Public Markets gegenüber privaten Anlegern oder Finanzinvestoren nicht strukturell benachteiligt werden: Public Markets können eine wesentliche Rolle spielen bei der Allokation von Kapital für eine nachhaltigere Zukunft, indem sie sicherstellen, dass "in Schwierigkeiten geratene" Unternehmen über eine angemessene Governance verfügen und im Einklang mit den sich entwickelnden Anforderungen nachhaltiger Investoren arbeiten.
- Eine nachhaltige Rechnungslegung entwickeln, die von einer unabhängigen Stelle organisiert wird: DWS Research ist der Meinung, dass Nachhaltigkeitsstandards erforderlich sind, die wissenschaftliche Forschung in die Finanzwelt einbeziehen, anstatt die Finanzwelt zu fragen, was Nachhaltigkeit bedeutet.
- Angleichen von Gebühren für Produkte, die nur auf die finanzielle Rendite ausgerichtet sind, und für Produkte, die von Natur aus nachhaltig sind: Nach Überzeugung von DWS Research würde eine solche Maßnahme sicherstellen, dass Nachhaltigkeitsgesichtspunkte bei Entscheidungen über die Kapitalallokation nicht benachteiligt werden. Die zusätzlichen Gebühren könnten dazu genutzt werden, vertrauenswürdige Strukturen zu schaffen, die den Übergang in eine nachhaltige Zukunft begleiten. So benötigt Europa dringend ein Europäisches Zentrum für Klimawandel, das nach dem Vorbild des CERN (Europäische Organisation für Kernforschung) geschaffen werden könnte.
- Entwickeln eines Rahmens zur Klassifizierung von Emittenten, deren wirtschaftliche Aktivitäten als systemisches Risiko für die Umwelt eingestuft werden: Ähnlich wie im Bankwesen sollten Unternehmen, deren wirtschaftliche Aktivitäten potenziell das Risiko einer Destabilisierung der Ökosysteme bergen, als "systemisches Risiko" erkannt werden.
- Entwickeln eines Investitionsrahmens für die Beschaffung von Ressourcen, die wichtig für den Umstieg auf den Klimaschutz sind: Wenn wir ignorieren, dass wir ohne Investitionen in Bergwerke, Stahl, Zement oder Gas den Übergang zu Net-Zero nicht erreichen können, führt das dazu, dass Europa in globale Abhängigkeiten gerät, während andere Länder ihre strategischen Ressourcen ausbauen. Die EU muss dringend eine entsprechende Beschaffungsstrategie entwickeln.
Weitere Maßnahmen und Beobachtungen im DWS Research-Bericht
- Europa muss an Dynamik zulegen. Venture Capital macht auf dem gesamten Kontinent schätzungsweise nur 0,1 % des EU-BIP aus. Das Fehlen großer IT-Unternehmen in europäischen Aktien ist ein klarer Indikator dafür, dass Trägheit die Investoren in den letzten zehn Jahren teuer zu stehen gekommen sind.
- Europas Großunternehmen sollten neue Formen von Partnerschaften mit Vermögensverwaltern eingehen, um ihre Lieferketten zu dekarbonisieren und Kohlenstoff dauerhaft zu binden.
- Nicht nur die Transformation von Gewerbeimmobilien, sondern auch die entsprechenden Lieferketten sollten künftige geopolitische Veränderungen beachten.
- Die europäische Infrastruktur bietet angesichts der Vielzahl von Projekten, die mit der Schaffung einer klimaverträglicheren Wirtschaft verbunden sind, überzeugende Möglichkeiten.
- Transformationsprojekte und Partnerschaften in Schwellenländern sollten darauf abzielen, bei Investitionen den Fokus auf Nachhaltigkeit in der gesamten Lieferkette zu legen.
Hinweis an die Redaktion:
Medien-Information vom 06. Dezember 2022:
Deutsche Bank und DWS sehen Europäische Transformation als strategische Priorität
1. European Commission Working Document – Identifying Europe’s Recovery Needs May 2020)