Ein Jahresminus von „nur“ 11,6 Prozent. Das klingt nicht gerade nach einem guten Argument für eine Anlageklasse. Doch auf den Kontext kommt es an. Denn mit diesem Ergebnis schnitten europäische Hochzinsanleihen[1]vergangenes Jahr noch deutlich besser ab als die meisten anderen Rentenpapiersegmente. Vor allem Staatsanleihen kamen unter die Räder. Im zehnjährigen Bereich verlor man mit den meisten europäischen Titeln 20 Prozent und mehr, mit 30-jährigen Bundesanleihen verlor man fast die Hälfte seines Einsatzes. Womit wir bei einem der Gründe für das relativ gute Abschneiden der Hochzinsanleihen wären: die kurze Duration von effektiv 3,2 Jahren.[2] Entsprechend geringer fällt dann der Kursverlust bei Zinserhöhungen aus (diese kann man ja auch für das laufende Jahr nicht ausschließen, auch wenn dies nicht unserem Basisszenario entspricht). Trotzdem war 2022 kein schönes Jahr für Hochzinsanleihen, vor allem in den ersten sechs Monaten. Da litten die Anleihepreise sowohl unter steigenden Staatsanleiherenditen als auch unter einer steigenden Risikoprämie (Spread). Diese erreichte Anfang Juli ihren Höhepunkt, bevor sie wieder auf das Niveau vom Kriegsanfang zusammenbrach. Das heißt zwar nicht, dass sich der Spread im laufenden Jahr nicht noch weiter einengen könnte (mit entsprechend positivem Kurseffekt), doch viel erwarten wir hier nicht mehr. Im Gegenteil, wir rechnen mit Volatilität, sodass eine erneute Spreadausweitung möglich ist. Wie wir sie seit Anfang März eindrucksvoll im Zuge der Bankenkrise bereits erlebt haben
Europäische Hochzinsanleihen
Basispunkte
Quelle: Bloomberg Finance L.P., DWS Investment GmbH; Stand: 11.04.2023
Das tut der Attraktivität der Anlageklasse jedoch keinen großen Abbruch. Denn die effektive Rendite von derzeit über sieben Prozent spricht unseres Erachtens für sich. Insbesondere, da die Ausfallraten sich bis jetzt im Rahmen gehalten haben.[3] Mittelfristig gehen wir auch von keinem drastischen Anstieg aus. Aus zwei Gründen:
- Die befürchtete Winterrezession ist ausgeblieben, und es scheint, als wäre die Energieversorgung für den kommenden Winter in trockenen Tüchern. Wir erwarten auch für das gesamte Jahr keine Rezession mehr. Allerdings dürfte dem sanften Abschwung auch nur ein milder Aufschwung folgen, was jedoch kein schlechtes Umfeld für Hochzinsemittenten darstellt. Insbesondere, wenn sie mit guten Bilanzkennzahlen[4] in die Schwächephase hineingehen, zumal sie sich in den vergangenen zwei Jahren großzügig mit Fremdkapital versorgt haben.
Anders ausgedrückt: Wir denken, dass eine laufende Rendite von über sieben Prozent einen ordentlichen Risikopuffer darstellt, ob gegen Kreditausfälle oder erneut steigende Zinsen. Wir ziehen den europäischen Markt derzeit dem US-Markt vor: höheres durchschnittliches Kreditrating[5] (u.a. kleinerer Anteil an Energie- und Biotechnologietiteln), höhere Spreads, ineffizienterer Markt mit breiterem Renditespektrum. Das Bankenbeben im März hat dem Hochzinssegment einen Rückschlag versetzt, da sich Anleger an solch unruhigen Tagen an der geringen Handelsliquidität stören und da sie das Risiko einer richtigen Rezession mit entsprechenden Ausfallraten höher einschätzen. Dies entspricht nicht unserem Kernszenario.