Kennen Sie Deborah Tannens Klassiker "You just don't under- stand"? Die Linguistikprofessorin legte dar, dass Mädchen und Jungen im Westen in recht unterschiedlichen Kulturen aufwachsen, weshalb sie als Erwachsene Sprache unter- schiedlich und mit verschiedener Zielsetzung verwenden. Die Unterhaltung zwischen den Geschlechtern würde so zu einer kulturübergreifenden Kommunikation, die oft zu erheblicher Verwirrung führe.[1] Dreißig Jahre später gilt das Gleiche, wenn wir über so fließende Konzepte wie die Geschlechterrollen über Generationen hinweg sprechen. Insbesondere bei so wichtigen Themen wie Female Finance.
Weibliches Geld-Geschick und männliche Überschätzung
Es gibt inzwischen viele gute Ratgeber speziell von Frauen und für Frauen, die zeigen, wie man sich Finanzkenntnisse aneignen kann.[2] Auch ein Teil der Finanzindustrie hat inzwischen erkannt, wie sinnvoll und lohnend es sein kann, Geld weiblichen Fondsmanagern anzuvertrauen. Vermögensverwalter, die sich für Vielfalt und die Stärkung der Rolle von Frauen einsetzen, sind im Aufwind.[3]
Jüngeren Lesern – insbesondere jenen mit Behavioral-Finance-Affinität – mag es seltsam erscheinen, dass dies jemals umstritten war. Sicherlich hat kein Geschlecht ein Monopol auf potenziell teure kognitive Verzerrungen.[4] Jedoch scheint vor allem Selbstüberschätzung eine besonders männliche Eigenschaft zu sein.[5]
Dies hat Auswirkungen auf die Vermögensverwaltung. Vor mehr als 20 Jahren ergab eine Studie, dass Frauen bei den risikobereinigten Nettorenditen etwa 1,4 Prozent besser abschnitten als Männer. Dies lag vor allem daran, dass Männer zu viel handelten – wohl ein Ergebnis der eigenen Selbstüberschätzung.[6] Spätere Untersuchungen zeichnen ein differenzierteres Bild. Wie bei vielen Verhaltensmerkmalen gibt es bei den Geschlechtern große Unterschiede, die sowohl auf Lernprozesse als auch auf kulturelle Veränderungen zurückzuführen sind. Veränderungen brauchen Zeit, da Menschen, Unternehmen und andere Institutionen versuchen, vergangene Erfolge durch Nachahmung scheinbar bewährter Muster zu wiederholen.
Wie lässt sich kultureller Wandel herbeiführen?
Beispielsweise führte die wahrgenommene Inkongruenz zwischen traditionellen weiblichen Geschlechterrollen und einer beruflichen Rolle, die traditionell und "idealerweise" männlich war – wie viele der bekanntesten Starinvestoren – tendenziell zu einer weniger vorteilhaften Sichtweise auf Frauen in solchen Rollen.[7] Die Frage, inwiefern sich die Kultur in Bezug auf die Geschlechterrollen ändern lässt, ist in vielen Lebensbereichen ein heikles Thema, nicht nur im Finanzwesen.[8]
"Auch heute haben Frauen nach wie vor unterschiedliche Lebenserfahrungen und Perspektiven. Für die Geldanlage bedeutet das: unterschiedliche Bedürfnisse, Anlagehorizonte und Gewohnheiten", argumentiert Katharina Seiler, Portfoliomanagerin bei der DWS. "Die Einbindung von mehr weiblichen Investoren kommt unserem Geschäft zugute. Und was ebenso wichtig ist: Die Wirtschaft und die Finanzmärkte insgesamt werden davon positiv beeinflusst.“
Verringerung der Tendenz zum Gruppendenken
Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass Vielfalt zu robusteren Entscheidungsprozessen führen kann, indem sie die Gefahren selektiver Wahrnehmung der gesamten Gruppe verringert und das Risikomanagement verbessert. Dadurch könnten Renditen gesteigert und Ertragsrisiken gesenkt werden.[9]
Investoren können dabei eine Schlüsselrolle spielen, indem sie die Stärkung der Rolle der Frau auf allen Ebenen fördern.[10] Solche Fortschritte können wiederum dazu beitragen, unbewusste Vorurteile auch anderen Gruppen gegenüber zu überwinden, nicht nur in der Finanzbranche.
Entscheidend ist, dass alle Mitglieder einer Gruppe, die beispielsweise über eine Anlagestrategie entscheidet, frei und ohne Angst eine abweichende Meinung äußern können. Dies trägt dazu bei, dass Konflikte nicht unterdrückt, sondern erfolgreich aufgearbeitet werden. Vielfalt kann den Weg zu neuen, kreativen Lösungen ebnen, wenn sie richtig gehandhabt und gefördert wird. Die Überwindung unbewusster Vorurteile kann somit unser gemeinsames Verständnis der Finanzmärkte fördern und eine erfolgreichere Vermögensverwaltung ermöglichen.[11]