20. März 2023 CIO Flash

UBS übernimmt Credit Suisse

Unmittelbare Bedenken gemildert, neue Bedenken entstanden

  • Die Schweizer Behörden haben einen Deal ausgehandelt, der die Credit Suisse vorerst aus der Schusslinie der Märkte nehmen sollte
  • Die Anleger dürften jedoch mit der Art und Weise, wie die Inhaber von Anleihen (AT1) behandelt wurden, hadern. Die Kapitalkosten für diesen Sektor werden wahrscheinlich steigen, auch weil wir immer noch nicht glauben, dass die großen Zentralbanken die Zinsen in diesem Jahr senken werden
  • Auf längere Sicht bleiben wir zuversichtlich, dass die aktuellen Ereignisse dazu beitragen werden, die Inflation unter Kontrolle zu bringen, auch wenn sie kurzfristig für Volatilität sorgen und das Wirtschaftswachstum belasten könnten

UBS-CS Zusammenschluss von Behörden arrangiert

Unter der Leitung und mit großzügiger Unterstützung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und der Finanzaufsichtsbehörde Finma hat die UBS am Sonntag angekündigt, die Credit Suisse zu übernehmen. Sie wird 3 Mrd. CHF oder 0,76 CHF pro Aktie zahlen, verglichen mit dem Schlusskurs vom Freitag von 1,86 CHF. Der Staat wird die ersten 9 Milliarden CHF an Verlusten decken, und die SNB wird bis zu 100 Milliarden CHF an Liquidität bereitstellen. Der potenziell größte Schock für die Märkte könnte die Tatsache sein, dass AT1-Anleihen im Wert von 16 Mrd. CHF vollständig abgeschrieben werden müssen. Ebenfalls am Sonntag kündigte die Federal Reserve (Fed) an, die Häufigkeit ihrer Swap-Auktionen von wöchentlich auf täglich zu erhöhen, um die Sorgen um die globale Dollarfinanzierung zu lindern.

Vorausgesetzt, dass die aktuellen Ereignisse nicht zu einer flächendeckenden Krise heranwachsen, ist nicht auszuschließen, dass wir in einem Jahr auf den März 2023 zurückblicken und feststellen, dass die Entwicklungen gesund waren. Die Gefahr einer galoppierenden Inflation wäre gebannt, einige schwache Akteure wären aus dem Markt gedrängt worden und der wirtschaftliche Schaden wäre begrenzt. Dies wiederum könnte für einen soliden Start in einen gesunden neuen Wirtschaftszyklus sorgen. Bisher haben die Märkte noch keine wirkliche Panik gezeigt, die Aktienmärkte liegen im Vergleich zum Jahresbeginn immer noch im Plus, bleiben aber hoch volatil.

Die Märkte erholten sich im Laufe des Tages etwas, Aktien drehten wieder ins Positive und die Renditen von Staatsanleihen machten den größten Teil ihrer anfänglichen Verluste wieder wett

Kurzfristige Entspannung, doch Märkte bleiben nervös

Die unmittelbaren Marktreaktionen auf die Maßnahmen vom Wochenende waren verhalten. Der Yen legte weiter zu, europäische Aktien fielen um zwei Prozent und die Renditen 2-jähriger Bundesanleihen sanken um über 20 Basispunkte. Wir glauben, dass die Erleichterung über die unmittelbare Abwendung eines großen Unsicherheitsfaktors vom Umgang mit den Anleihebesitzern überschattet wurde, auch wenn es sich hier um eine Schweizer Besonderheit handelt. Doch die vollständige Abschreibung der AT1-Anleihen, obwohl die Aktionäre noch eine Zahlung erhielten, ließ die Märkte dieses Instrument kritisch betrachten. Im Laufe des Tages erholten sich die Märkte wieder etwas, wobei die Aktien ins Plus drehten und die Staatsanleiherenditen ihren morgendlichen Rückgang teils komplett revidierten. Die Risikoprämien der europäischen Unternehmensanleihen notierten gegen Nachmittag jedoch immer noch über ihrem Schlusskurs vom Freitag. Ein Blick auf die Rohstoffmärkte könnte darauf hindeuten, dass die Anleger in Bezug auf eine Rezession nervöser geworden sind, da der Ölpreis (Brent) seit seinem Höchststand vor zwei Wochen in der Spitze um 17 USD je barrel gefallen ist, als er heute Morgen auf der Marke von 70 USD/b aufgesetzt ist. Gold überschritt kurzzeitig die Marke von 2000 USD je Unze.

Wir werden unseren Vergleich mit 2007/08 auf ein Minimum beschränken. Wir haben es, zumindest bisher, mit Mark-to-Market-Verlusten zu tun, während 2007/08 die zugrundeliegenden Vermögenswerte stark beeinträchtigt waren. In diesem Zyklus sind die Inflationsraten explodiert, die Zentralbanken haben die Zinssätze so schnell wie seit Jahrzehnten nicht mehr angehoben, was zu starken Kursverlusten bei festverzinslichen Anlagen geführt hat. Der große Unterschied zu 2008 besteht darin, dass höherwertige festverzinslichen Anlagen, im Gegensatz zur Finanzkrise, bei Fälligkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu 100 Prozent zurückgezahlt werden. Wer solche Wertpapiere mit der Absicht gekauft hat, sie bis zur Fälligkeit zu halten, sollte in dieser Hinsicht keine Probleme und keinen Abschreibungsbedarf (bei Bilanzierung als „Held-to-Maturity") haben.

Gleichzeitig gibt es aber auch Ähnlichkeiten zu 2007/08: die Dringlichkeit, eine Lösung zu finden, sobald die Überlebensfähigkeit eines Finanzinstituts von den Märkten in Frage gestellt wird, und die Geschwindigkeit, mit der sich die Dinge innerhalb weniger Tage entwickeln. Wie wir in früheren Stellungnahmen dargelegt haben, sind wir jedoch der Ansicht, dass sich sowohl die Finanzinstitute als auch die Regulierung im Vergleich zu 2008 grundlegend verändert haben. Wir würden argumentieren, dass die US-Finanzregulierung in bestimmten Bereichen ein gewisses Aufholpotenzial gegenüber der europäischen Regulierung hat. Für beide Kontinente gibt es jedoch keine Garantie dafür, dass keine neuen Probleme auftreten, an die Regulierungsbehörden und Marktteilnehmer in den letzten Jahren nicht gedacht haben.

Markt- und politische Implikationen

Die derzeitige Verschärfung der finanziellen Bedingungen ist genau das, was die Zentralbanken anstreben, um die Wirtschaft abzukühlen und die Inflationsraten wieder auf ein verträgliches Niveau zu bringen. Schmerzen sind dabei unvermeidlich. Die Einigung der Übernahme der CS durch die UBS ist unserer Meinung nach ein gutes Ergebnis für die globalen Finanzmärkte, auch wenn der Vorrang der Aktionäre gegenüber den Inhabern von AT1-Anleihen bei Anlegern für Irritationen sorgen dürfte. EZB und die Bank of England haben entsprechend schnell klargestellt, dies sie weiterhin Aktionäre als nachrangig gegenüber Anleihegläubigern behandeln würden. Ohnehin existieren Verträge, die diese Umgehung der normalen Zahlungsreihenfolge ermöglichen, nur in der Schweiz, nicht aber in der Eurozone. Es könnte dennoch einige Zeit dauern, bis die Märkte das Gefühl haben, dass das Vertrauen in das europäische Bankensystem wieder vollständig hergestellt ist. Die koordinierten Maßnahmen der globalen Zentralbanken zur Verbesserung des Zugangs zu Dollar-Liquidität zeigen, dass sich die finanziellen Bedingungen weltweit bereits erheblich verschärft haben und dass entschlossenes Handeln erforderlich ist, um eine Ansteckung des Bankensektors auf andere Bereiche der Wirtschaft zu vermeiden. Der nächste Punkt, den wir genau beobachten, ist die weitere Entwicklung der Kreditvergabe - der Sauerstoff für die Wirtschaft. Derzeit sehen wir keine Notwendigkeit, unsere globalen BIP-Prognosen für dieses Jahr zu ändern (Eurozone 0,8 Prozent, USA 0,7 Prozent). Wir sehen aber durchaus ein Abwärtsrisiko, sollten sich die Kreditvergabestandards stärker verschlechtern als wir derzeit erwarten.

Implikationen für Anlageklassen

Anleihen und Währungen:

Die Renditen von Staatsanleihen sanken in diesem Monat trotz der eher restriktiven EZB-Sitzung in der vergangenen Woche erheblich. Das Augenmerk ist nun auf dem Communiqué der Fed am Mittwoch. Wir bleiben dabei, dass die Fed die Zinsen um 25 Basispunkte anheben wird. Wir glauben nicht, dass sie ihre Wirtschaftsprognosen in größerem Umfang korrigieren wird. Sie wird aber betonen bereit zu stehen, sollte die Marktanspannung dies erfordern. Es ist noch zu früh, um unsere 12-Monats-Prognosen für Staatsanleihen und Bundesanleihen anzupassen, da alles davon abhängt, wie schnell und dauerhaft sich die finanziellen Bedingungen straffen und so dazu beitragen, den Druck auf die Inflation und den Arbeitsmarkt zu verringern. Nachdem das CS-Problem gelöst ist, blicken wir zuversichtlicher auf europäische Anleihen mit Investment Grade Status (IG), deren Risikoprämien in der vergangenen Woche eine der stärksten kurzfristigen Ausweitungen in der Geschichte verzeichneten.

Der Währungsmarkt wird derzeit im Wesentlichen von der wechselnden Risikoneigung der Anleger getrieben. Der US-Dollar (USD) konnte jedoch nicht konsequent vom Sicherheitsbedürfnis der Anleger profitieren, da die Erwartungen bezüglich Zinserhöhung in den USA stark nach unten korrigiert wurden. Der japanische Yen fungiert derzeit als Gegenstück zum US-Dollar als Fluchtwährung. Die Volatilität am Devisenmarkt bleibt bemerkenswert niedrig, und es gibt bislang keine eindeutigen Anzeichen für steigende Finanzierungskosten in USD für ausländische Anleger. Die für das Wochenende angekündigten neuen Liquiditätsmaßnahmen für den Dollar dürften einige Bedenken zerstreuen. Auf Basis der aktuellen Zinsdifferenzen und dem Stress im US-Bankensektor würden wir einen schwächeren US-Dollar erwarten. Aber eine Stabilisierung der Risikostimmung ist notwendig, um die Risikoprämie am Devisenmarkt zu beseitigen und die risikosensiblen Währungen stärker im Einklang mit den Zinsdifferenzen zu bewerten.

Je nachdem, wie der Markt auf die Fusion reagiert, könnte der CHF unter Druck geraten. Bislang blieb der CHF recht stabil gegenüber dem Euro. Wir erwarten, dass der Markt durch die geringe Risikobereitschaft relativ ruhig bleibt.

Aktien:

Wir glauben, dass die Volatilität an den Aktienmärkten anhält, bis das Vertrauen in das Finanzsystem wiederhergestellt ist. Einige Narben werden jedoch noch länger bleiben. Die derzeitigen Marktturbulenzen wirken sich unterschiedlich auf die Aktienmärkte aus. Zu den negativen Impulsen zählt, dass höchstwahrscheinlich mit höheren Finanzierungskosten für die Banken zu rechnen ist, welche diese an ihre Kunden weitergeben werden. Die Wachstumserwartungen der Anleger sind sicherlich vorsichtiger geworden. Eine Marktunterstützung seitens der Unternehmen im Zuge von Aktienrückkäufen dürfte unwahrscheinlicher geworden sein. Gleichzeitig wirken sich die niedrigeren Zinsen positiv auf Aktien aus, was einer der Gründe dafür war, dass Tech-Aktien in den letzten Tagen eine relative Stärke gezeigt haben. Wir gehen davon aus, dass Sektoren, die von regelmäßigen Refinanzierungsaktivitäten abhängig sind, jetzt im Fokus der Anleger stehen. Unternehmen mit schwachen Bilanzen würden wir weiterhin meiden.

Im jetzigen Umfeld glauben wir, dass der Bankensektor in den USA sogar größere Probleme als der europäische aufweisen könnte. Die drei dringendsten Probleme, die wir in den USA sehen, sind: 1. Die fehlende Regulierung (gerade in Bezug auf Liquiditätsvorschriften) für "kleine" Institute mit einem Vermögen von weniger als 250 Mrd. USD. 2. Das Missverhältnis zwischen Refinanzierungs- und Kreditmargen, das so schnell auch von der Fed durch niedrigere Zinssätze nicht behoben werden dürfte, angesichts der Inflationsaussichten. Und schließlich 3. wenig Potenzial für eine Marktkonsolidierung, da den vier größten Instituten umfangreiche Übernahmen untersagt sind und kleinere Institute die jüngsten Übernahmen erst noch verdauen müssen oder mit anderen Problemen zu kämpfen haben. Zum Vergleich: Der europäische Bankenindex hat seit Monatsbeginn fast 20 Prozent verloren, verzeichnete aber im bisherigen Jahresverlauf nur ein Minus von 1,6 Prozent. Die entsprechenden Zahlen für die USA betragen -13 Prozent im Monatsverlauf und -15 Prozent im Jahresverlauf.

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