21. Jul 2023 Macro

Untragbare Machtkonzentration

Die Nasdaq muss die Gewichte ihrer Indexmitglieder anpassen, da die Großen zu groß geworden sind. Das ist nicht nur schlecht für Anleger, sondern auch den freien Markt.

Nächste Woche wird die US-Börse Nasdaq die Gewichte des Index Nasdaq-100 anpassen. Anpassen bedeutet in diesem Fall, dass man das Gewicht der sieben größten Werte kappt, so dass sie in Summe nicht mehr 56, sondern „nur“ noch 44 Prozent der Marktkapitalisierung des Index ausmachen. Damit möchte der Börsenbetreiber zumindest teilweise die Unwucht aus seinem Index beseitigen, welche die Kursexplosion bei Amerikas größten Technologie-Werten hervorgerufen hat. Um ganze 39 Prozent stieg der Index im ersten Halbjahr, [1] was somit zum besten Halbjahr seiner Geschichte wurde. Über 30 Prozentpunkte trugen die Großen 7 dazu bei. Für Anleger schafft das praktische Probleme: selbst wer den gesamten Index kauft, kauft eigentlich nur sieben Werte. Noch ärgerlicher ist das im Falle des S&P 500, der deutlich breiter als der Nasdaq 100[2] gestreut ist. Hier sind die Großen 7 für 30 Prozent des Marktwerts des Index verantwortlich, aber ebenfalls für den überwiegenden Großteil der diesjährigen Wertsteigerung. Als Anleger setzt man darauf, mit dem Index ein Abbild der US-Wirtschaft zu kaufen. Dem ist natürlich nicht so, wenn die Wertentwicklung großteils an weniger als einem Dutzend Werten hängt.

Wertentwicklung des S&P 500 vs dem gleichgewichteten S&P 500

* Positive/negative Werte zeigen die Outperformance/Underperformance des S&P 500 (nach Marktkapitalisierung gewichtet) gegenüber seinem gleichgewichteten Index an

Quellen: Bloomberg Finance L.P., DWS Investment GmbH; Stand: 19.07.2023

 

Unser Chart of the Week zeigt dieses Phänomen, indem er die Entwicklung des (marktwertgewichteten) S&P 500 mit dem des gleichgewichteten S&P 500[3] vergleicht. Hier sieht man, wie stark der Unterschied dieses Jahr war – so hoch wie zuletzt in den späten 1990er Jahren, den Hochzeiten der Dotcom Blase. Gibt es mehrere solcher Jahre in Folge (2017-2019) oder fällt der Unterschied so stark aus wie im bisherigen Jahresverlauf, drückt sich das entsprechend in einer größeren Konzentration des Index auf die Schwergewichte aus. Wer damit ein Problem hat, und dem Höhenflug der Schwergewichte nicht ganz traut, der sollte den gleichgewichteten S&P 500 in Betracht ziehen. Insbesondere, wenn er kein Anleger ist, der sich um das richtige Timing kümmern und viel handeln will. Denn mit dem gleichgewichteten S&P sind Technologiewerte im Depot weiterhin möglich. Was, so glauben wir, langfristig unerlässlich ist, da der Technologiesektor das Potenzial hat, ein Wachstumsmotor zu bleiben, nicht zuletzt wegen der Künstlichen Intelligenz Welle. Doch kurzfristig sind wir skeptisch, da die Kursentwicklung unserer Meinung nach den Gewinnen, und unseren Gewinnerwartungen für den Sektor davongelaufen sind. Denn die diesjährige Kursrally beruht einzig auf der Ausweitung der Kurs-Gewinn-Multiplikatoren des Sektors, und nicht auf einer Steigerung der Gewinne. Denn von der wird dieses Jahr kaum etwas zu sehen sein. Und ob die jetzigen Rekordbewertungen (wie wir sie auch bei der KGV-Prämie der Wachstumswerte versus Standardwerten sehen) unbeschadet über die kommenden Monate kommen werden, wenn die USA eventuell in eine Rezession schlittern, oder die Zinsen länger als erwartet oben verharren, das bezweifeln wir. Was wir allerdings ebenso bezweifeln, ist die Frage, ob es ein gutes Zeichen ist, wenn Börsenbetreiber das Übergewicht einer Handvoll von Unternehmen korrigieren, und nicht die Kartellbehörden. 

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1. Der Nasdaq 100 Index stieg von 10939,76 am 01.03.23 auf 15179,21 Indexpunkte am 30.06.23, ein Anstieg von 38,75%.

2. Der bei genauerem Hinsehen weder ein reiner Technologie- noch ein reiner Wachstumsindex ist.

3. Jede Aktie wird unabhängig von Marktwert des Unternehmens im Index mit dem gleichen Gewicht wie alle anderen Aktien abgebildet.

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